Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

vorwaltet, als einen „engeren Begriff des Ethischen“, und 4. merkt 
er nicht (S. 55), dafs, wenn in der hypophrygischen Tonweise der musi 
ealische Rythmus vorwaltet, sie weniger nachahmend sein müfste 
während sie doch sogar ein praktisches Ethos besitzen soll, d. h. nac 
seiner Auffassung Handlungen nachahmt. Trotz aller dieser Wider- 
sprüche ist Müller doch davon sehr befriedigt, denn er äufsert naiv, daf 
„nach diesen Bestimmungen über den Unterschied zwischen den ethischen, 
„praktischen und enthusiastischen Tonarten‘ — oben waren €8 Melo- 
dien — ‚gar kein Zweifel mehr obwalten könne‘, — Ferner bemerkt 
r S. 54: „Nun bildet zwar das Kathartische gegen das Ethische im AN- 
„gemeinen keinen unbedingten (!) Gegensatz; auch die praktische 
„und enthusiastischen Gesänge wirken doch auf die Stimmung des Ge- 
„müths ein, wie denn der Enthusiasmus geradezu ein Pathos in de 
„„Ethos, d. i. eine Affection des Gemüthszustandes, von Aristoteles ge- 
„nannt wird, ein Handeln aber, worauf doch schon ihrem Namen nach 
„die praktischen Melodien hinwirken (!) müssen, offenbar nur immer 
„aus einem bestimmten Gemüthszustande hervorgehen kann.“ — Es ist 
in der That unbegreiflich, wie ein so intelligenter Schriftsteller in eine 
so grobe Begriffsverwechslung von Objekt und Zweck der Nachahmu: 
verfallen konnte. Es ist ja bei dem KEithos und Pathos sowie bei der, 
ganzen Charakteristik der Tonweisen hinsichtlich ihrer melodischen un 
rythmischen Differenzen, ebenso auch bei dem Ausdruck praktisch, au 
von denjenigen Stimmungen und Handlungen die Rede, weiche 
den Inhalt der Nachahmung bilden, d. bh. welche sich in der Musik 
abspiegeln, nicht aber von denjenigen, welche als Wirkung der 
Musik sich im Hörer erzeugen. Dies aber wird fortwährend vermisch 
und verwechselt, und so ist denn jeder Versuch, sich in dem darau 
entstehenden Wirrsal zurechtzufinden, völlig vergeblich, 
Was Teichmüller betrifft, ‚so kommt derselbe, nachdem er sich 
über die Widersprüche des Aristoteles gewundert (s. 0. Nro. 29), zu fol 
endem merkwürdigem Resultat: „Jedenfalls setzt Aristoteles das Musi 
„kalische in zwei Stücke, in die Melopofia und den Rythmus, Und die 
„ist für die vorliegende Frage“ — diese Frage ist. nämlich, wie di 
eberschrift des Kapitels zeigt, die nach den Begriffen von AouOVia 
und w&206: für diese seien also jene zwei Stücke — „hinreichend; den 
„es wird dadurch gewifs: 1) dafs Aristoteles innerhalb des Musikalische 
„das Rythmische absondert von dem Harmonischen (?) und dem MELOG 
„ohne dafs unter dem Rythmus der Tanz (sie) zu verstehen ist; un 
„dies entspricht der obenerwähnten Eintheilung der Musik, wonach die 
„Rythmik neben der Harmonik (!) steht als selbstständig und koordi 
„nirt —3; 2) dafs er Harmonie und u&\0g zwar unterscheidet, aber doc 
„als zusammen hängend jenen andern beiden Elementen, nämlich de 
„6vduds (Rythmik) und dem u&zgor (Metrik)“ — wie kommt denn dies 
mit einem Male hieher? — „gegenüberstellt, woraus €S ul 
erklärlich ist, dafs er dies ganze genus bald durch w&0s, bald durc 
„Couori@ bald durch wuedlozolı« bezeichnet, wie‘ denn in der That nach 
„der Eintheilung des Aristides die Harmonik ebenso wohl die Har- 
„monie als die Melodie und die musikalische Komposition um- 
„fafst.“ — Wenn jemals Unsinn geschrieben wurde, so ist er hier zu 
uchen. Was kann, von dem Schiefen und Mifsverständlichen im gan- 
zen Satze abgesehen, man sich z. B. unter musikalischer. Komposition 
denken im Gegensatz und Unterschied von der Harmonie und ‘Melodie? 
as bleibt deüun noch übrig von der Komposition, wenn diese beiden 
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