Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

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„gorie“. Das Lange und Breite von der Sache ist Dies, dafs Winckel- 
mann unter Allegorie ganz einfach die beziehungsgemäfse Verknüpfun 
von modernen Vorstellungen mit antiken Kunstformen als Aufgabe fü 
je ornamentale Wandmalerei versteht. Ob und wie weit solche Forde- 
ung, wie gesagt, auf einem Mifsverständnifs beruht, ist für die Frage 
wie dies aus seiner allgemeinen Anschauungsweise zu erklären sei, gleich- 
ültig; und der Fehler Justi's — von Zimmermann und Lotze, die na 
türlich in dasselbe Horn stofsen, gar nicht zu sprechen — liegt eben 
darin, dafs er diesen Zusammenhang nicht begreift, sondern ihn unerklär- 
lich, bedauerlich u. s. £., Winckelmann selbst_aber deshalb einen bornirten 
„Pedanten zu nennen wagt. 
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Wir können uns nicht enthalten, hier noch eine allgemeine Bemer- 
kung über das Justi'sche Werk zu machen, da es in der Winckelmann- 
Literatur die Hauptrolle spielt. Wenn sogenannte Philosophen von Fach 
wie die vorhin Genannten sich dergleichen unberechtigten Tadel zu Schul- 
den kommen lassen, so kann man sich dies allenfalls dadurch erklären, 
afs sie Alles mit der allzukurzen Elle ihres Princips messen; ein For- 
cher aber, wie Justi, welcher das Leben und Streben eines Mannes 
wie Winckelmann zum Gegenstande eines besonderen Studiums und zum 
nhalt eines mehrbändigen Werkes macht, sollte doch etwas’ vorsichtiger 
in seinem Urtheil sein. Er mifst Winckelmann ebenfalls mit der Elle 
seines modernen Besserwissens, statt selbst die Abwege, wohin Winckel- 
mann durch sein Prineip geführt wurde, aus diesem zu erklären. Und 
wenn es sich nun zeigt, dafs sie sich daraus erklären lassen, hat es dan 
noch eine Berechtigung, Ausdrücke zu gebrauchen wie diese (Justi I, 
S. 404 ff): „Hier ist Winckelmann, im Stich gelassen von seinem guten 
„Genius, fast das einzige Mal in seinem Leben langweilig (!), schlep- 
„pend, verworren, abgeschmackt (!!) gewesen“. Und worauf beziehe 
sich diese harten Ausdrücke? Darauf, dafs Winckelmann das allegorische 
Gemälde Lebrun’s in Versailles, welches den Uebergang Ludwigs XIV. 
über den Rhein darstellt, „an Höhe mit Homer’s berühmter Beschreibun 
„von Neptun’s Fahrt auf dem Meere“ vergleicht. „Solche Thorheite 
„kann ein gescheidter Mann sagen“ — setzt Justi hinzu —, „wenn er 
„sich seinem Gefühl und seinem Sinne zum Trotz von einem falschen 
„Räsonnement fortreilsen lälst“. Wir sind indefs der Ansicht, dafs 
sich die letzten Worte mit viel gröfserem Recht auf den Kritiker selbst 
anwenden liefsen. Denn die voraufgehenden (von Justi selbst citirten) Worte 
inckelmann’s: „Frankreich könne sich rühmen, an dieser und der 
„luxemburgischen Gallerie die gelehrtesten Werke der Allegorie 
„in der Welt zu haben‘“, deuten wohl hinlänglich klar den Gesichtspunkt 
an, von welchem Winckelmann sie betrachtet: und wenn Justi fortfährt 
dies sei „der einzige Punkt, worin man Winckelmann beistimme 
„könne . . .‘“, so bemerken wir, dafs es gar nicht auf solche Beistim- 
mung, sondern um die Erklärung — wir sagen nicht Rechtfertigung 
sondern Erklärung — der Winckelmann’schen Auffassung ankommt. 
Viel vorurtheilsfreier und der Wahrheit nahe kommend erscheint 
diesem leichtfertigen Urtheilen gegenüber die (ebenfalls von Justi citirte 
und dennoch ihn nicht zur Besinnung bringende) Aeufserung Schlegel® 
dafs dieser Gegenstand „sein theoretisches Vermögen überstiegen“ 
habe. Obschon nur negativ gefafst — in dem Sinne, wie wir im Text 
sagten, Winckelmann habe des Organes für malerische Schönheit ent- 
ehrt — trifft diese Bemerkung doch wenigstens den Kern der Frage, 
während Justi. der dann noch von einer „Masse_wüsten Wissenkrams“
	        
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