Full text: Das aesthetische Problem

einfacher Natürlichkeit geben will, das heißt des Lebens, öde 
wie wir es wahrzunehmen und aufzufassen gewohnt sind. soll 
Wenn der Dichter aber seinen Stil und seine Atmo- - 
sphäre einmal gewählt hat, so werden sie ihm Gesetz, ode 
und er darf sich nicht von seiner eigenen Form verirren. ode 
Wenn Selma Lagerlöf in „Herrn Arnes Schatz“, das mit ode 
einer so außerordentlichen Stimmung des Grauens ein- We 
setzt, das ermordete Mädchen als Gespenst auftreten 1 
läßt, so stört das nicht; wir sind in Märchenstimmung a8 
versetzt und glauben auch das Wunder, wenn das ver- set. 
eiste Meer das Schiff des Mörders nicht ausfahren läßt. unt 
Aber wenn das Gespenst sich im Wirtshaus verdingt und ein 
dort täglich das Geschirr abwäscht, dann wird das Bild räu 
schief und mißlungen: die Atmosphäre der Gespenster wü 
ist durch den Volksgeist und die Sage geschaffen: sie gef 
erscheinen bei Nacht und in Einsamkeit. Es ist auch ode 
völlig unlogisch: das Gespenst begehrt die Sühne des erl 
Mordes, und es erscheint einem Lebenden, weil es sich er 
selbst nicht äußern kann. Wenn es aber durch drei } 
Wochen im Wirtshaus Magd sein und Geschirr ab- an 
waschen kann, dann kann es auch selbst zur Polizei daß 
gehen und die Anzeige machen. Schon Lessing hielt seh 
Voltaire, der in seiner „Semiramis‘ den Geist des Ninus ma 
in der Reichsversammlung erscheinen ließ, vor, daß „ein Rö: 
Gespenst sich nicht Dinge herausnehmen darf, die wider Sin 
alles Herkommen unter Gespenstern sind‘, denn „was vol 
die Illusion nicht befördert, stört die Illusion“. AU 
Dagegen könnte man sich sehr wohl ein groteskes und ein 
witziges Werk vorstellen, in dem ein Gespenst am hellen vor 
Tag umhergeht, weil hier ja gerade dem Natürlichen “De 
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