Full text: Das aesthetische Problem

sich über das wahre Wesen von Stoff und Form in der 
Kunst nicht klar geworden sind. So wie Gebildete mit- An 
unter aus soziologischem Interesse verlangen, daß die en 
Kunst wesentlich das Leben der Arbeiter und soziale Vor 
Themen „darstelle“, so verlangen Kleinbürger und DON 
Dienstmädchen, daß die Romane, die sie lesen, in das 
adeligen Kreisen spielen. Ihre Gründe sind primitiver, dest 
aber beide Forderungen sind gleich unkünstlerisch. mit 
Eine Wirkung der Dichtung, die die Menschen im Ur- ken 
teil irre führt, ist die „Illusion“. Sie bedeutet im Grunde und 
nichts weiter, als daß wir von einer Dichtung stark be- Man 
eindruckt und hingerissen sind. Ein Mensch, der Musik Men 
hört, der eine Architektur, ein Erzeugnis des Kunst- zeri 
gewerbes künstlerisch genießt, kann hingerissen sein, Schr 
verfällt aber in der Regel keiner bestimmten Illusion. höre 
Er vergißt seiner selbst und verliert sich in der Stim- SIEH 
mung des Kunstwerks. Auch vor einem Gemälde oder sti 
einer Statue tritt sie, wenn überhaupt, nur in sehr ge- S. 
ringem Maß ein, weil die Sinne nicht so zu täuschen die 
sind und im Grunde ja gar nicht getäuscht werden sollen.  SrOi 
Die alte Anekdote von Zeuxis und Apelles, die auf der Fon 
falschen Theorie von der Naturnachahmung beruht, ist due] 
nach jeder Richtung unwahr und unkünstlerisch. Da sind 
aber die Wirkung der Dichtung zunächst in einem Nach- Lon 
schaffen der Vorgänge und Bilder in der Phantasie be- ist 1 
steht, und da man — sowenig wie mehrere Gedanken — Kur 
nicht gleichzeitig mehrere Bilder klar im Geiste haben Spie 
kann, so muß der Mensch, der ein Werk erzählender us 
oder darstellender Dichtkunst aufnimmt, sich bis zu rn 
einem gewissen Grad darein verlieren. Der Dichter be- sich 
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