Full text: Gotische Bildteppiche aus Frankreich und Flandern

- Alle Teppiche dieser Art, die, ohne Ränder und Bordüren gewirkt, häufig 
wie unser moderner Wandteppichersatz, die Papiertapete, zwischen Boiserien 
nr eingespannt, die Wandflächen bedeckten, können wie die Tournaiser Stücke 
En in New York nach allen vier Seiten zu unendlichem Rapport vergrößert 
n gedacht werden. 
S Das Entstehungszentrum der Blütenteppiche ist an den Ufern der Loire zu 
T suchen. Sowohl der Auffindungsort der besprochenen Stücke, die fast alle aus 
a Schlössern und Kirchen der Touraine stammen, wie auch die Herkunft der 
Besteller und Besitzer, die durch vorhandene Wappen teilweise identifiziert 
a werden konnten, weist auf diese Gegend; ein Gebiet, in dem namhafte 
1 Künstler wie Jean Fouquet und Jean Bourdichon wirkten und das als Residenz 
1 der französischen Könige neben dem Norden das zweitwichtigste französische 
. Kunstzentrum des ausgehenden Mittelalters war. 
Ss Aber nicht alle Bildwirkereien, die in der zweiten Hälfte des 15. und zu 
re Beginn des 16. Jahrhunderts in der Touraine entstanden sind, zeigen den 
Tapetenstil der Blütenteppiche. Andere Gruppen, die sich mit größter Wahr- 
4 scheinlichkeit derselben Gegend zuweisen lassen, tragen einen durchaus bild- 
E mäßigen Charakter. So die Werke, die dem ganz genremäßig aufgefaßten 
Fragment mit der Legende des heiligen Maurillus von 1460 (Abb. 54) nahe- 
e stehen. An die textilen Wandgemälde der Schule von Tournai knüpfen jene 
. Stücke an, die sich durch einen gemeinsamen Merkmalkomplex um die reich- 
d bewegten vielfigurigen Passionsszenen (Abb. 5 5, 56) der Kathedrale zu Angers 
h schließen: die Teppiche mit dem Leben des heiligen Martin (Abb. 57, 58) 
n in Montpezat und Angers, die Stücke mit dem Leben der Heiligen Gervais 
= und Protais in der Kathedrale von Le Mans, die Geschichte des heiligen 
a Sakraments aus der Abtei Roncevay bei Angers, der Behang mit der Legende 
% des heiligen Stephan (Abb. 59) im Cluny-Museum, die Teppiche mit dem 
a Leben Christi im Chor der Chaise Dieu und viele andere. Werke, die in prunk- 
vollen mit dekorativen Details überladenen Kompositionen, mit einer Fülle 
naturalistischer Landschaftveduten und architektonischer Prospekte die Er- 
L zählungen der Legenden mit frischem weltlichem Leben füllen. 
2 Als Mittelpunkte einer andern Tourainer Gruppe sind die wundervollen ins 
Jahr ı 500 datierten Marien-Teppiche (4bb. 60—6 3) in der Kirche zu Beaune 
N zu erkennen, die vom Kanonikus Hugues le Coq gestiftet wurden. Ein Maler 
) in Dijon namens Pierre Spicre, vermutlich ein eingewanderter Deutscher, hat, 
n wie urkundlich nachgewiesen, im Jahre 1474 den Auftrag zur Herstellung 
t der Kartons erhalten. Die harmonische Gruppierung, die bildmäßige Klarheit 
der durch Bogenarchitekturen von einander isolierten Szenen, der schlichte 
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