Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (1. Band)

noch keinen Schoppen am Sonntag oder sonst bei festlichen 
Anlässen; noch ist dem Arbeiter nicht die süsse Wonne ver- 
gönnt, sich und seiner Familie an schönen Sonntagen auf einem 
Spaziergange eine Freude zu bereiten. Dies Alles sind Dinge, 
die für den armen gedrückten Arbeiter im Reich der Unmög- 
lichkeit liegen, wenn er sich nicht in Schulden begraben will, 
die ihm noch den Schlaf oder die nächtliche Ruhe verkümmern. 
Oder wie wäre es anders möglich? Wenn der Familienvater 4 Fr. 
per Tag verdient, so ergibt dies in 300 Arbeitstagen 1200 Fr., 
und wenn er in seiner Heirathswahl glücklich gewesen und 
ihm seine Frau noch 200—300 Fr. verdient, so beläuft sich 
dies auf die Summe von 1500 Fr. Wo soll er denn die andern 
700—800 Fr. hernehmen? Man wird mir einwenden: aber wie 
schlagen sich diese Leute durch, wenn obige Angaben unentbehr- 
liche Bedürfnisse sind. Darauf erwiedere ich: es sind dafür eben 
so verschiedene Quellen, so verschieden die betreffenden Familien 
an sich sind. Es gibt z. B. Familien, die vielleicht in ihren 
jüngern Jahren oder in den ersten Jahren ihrer kinderlosen Ehe 
etwas erspart haben, oder vielleicht etwas ererbt, oder sonst 
irgendwie einen Nothpfennig auf der Seite hatten. Dieses wird 
dann natürlich zuerst gebraucht, nach dem haben viele solche 
Leute keinen andern Ausweg als Schulden zu machen, zu schwin- 
deln, zu stehlen, oder sonst sich einem unlautern, zweideutigen 
Lebenswandel zu ergeben. Dadurch werden Aeltern und Kinder 
gewöhnlich sittlich und moralisch verdorben und fallen überdies 
der öffentlichen Wohlthätigkeit und den Armenbehörden anheim 
und nicht. selten endlich noch der Polizei und Gerichtsbarkeit, 
woran sicherlich nicht allein diese Unglücklichen die Schuld 
tragen. Würde man aber den Arbeiter so bezahlen, dass es ihm 
unzweifelhaft möglich wäre, sich auf der Höhe seiner Existenz 
zu erhalten, es wäre damit ungemein viel gewonnen; natürlich 
könnten dann die. Industriellen, sowie die Handelsschaft ihre 
Habgier nicht mehr befriedigen, nicht mehr Milliönchen an 
Milliönchen bei Seite legen und von dem Marke des Arbeiters 
959
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.