Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (2. Band)

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Der Arbeiter muss vor Allem zu dem moralischen Bewusstsein 
emporgehoben werden, dass er sich selbst versichern 
muss. Wenn man’ aber dem Arbeiter diese freie Wahl ab- 
schneidet , .wenn man von Seiten des Staates vorschreibt, dem 
Arbeiter gewisse Lohnabzüge für einen bestimmten Zweck zu 
machen und zugleich für executivische Beitreibung dieser Lohn- 
theile zu Gunsten gewisser Kassen Sorge trägt, so beraubt man 
den Arbeiter ganz der köstlichen moralischen Wohlthat des 
Sparens. Das Sparen und Entbehren in der Gegenwart, um sich 
dadurch edlere Genüsse zu verschaffen oder um für die Seinen 
zu sorgen, ist eine sittliche That. Wenn der Staat einen jungen 
Arbeiter, der mit seinen Ersparnissen gern arme Aeltern und 
Geschwister unterstützen möchte, zu Beiträgen an Altersrenten- 
kassen zwingt, so begeht er ein moralisches und materielles 
Unrecht an Kindern und Aeltern. Etwas Anderes ist es, wenn 
sich der Arbeiter freiwillig entschliesst, dieser oder jener Kasse 
beizutreten; dann werden auch seine Leistungen um so reich- 
licher und seine Opfer um so freudiger sein, während ihn jeder 
Zwang der Behörden mit Unwillen erfüllen muss. Der Staat 
trägt durch zwangsweise eingeführte Kassen nur dazu bei, die 
Arbeiter in den gefährlichen Wahn einzuwiegen, dass es die Be- 
hörden oder die Fabrikanten seien, welche für die Zukunft der 
Arbeiter sorgen müssten, was leider nur zu häufig dazu führt, 
dass die Arbeiter mit dem ihnen übrig gelassenen Lohne in den 
Tag hinein wirthschaften und aus der Hand in den Mund leben. 
Der gesetzliche Zwang von Seiten des Staats ist auch schon 
deshalb entbehrlich, weil an vielen Orten, wo Freiheit herrscht, 
die Arbeiter unter sich einen viel wirksameren moralischen 
Zwang auf ihre Kameraden ausüben, oder weil hier und da der 
Fabrikant durch Privatvertrag seine Arbeiter anhält, den in 
seiner Fabrik bestehenden Kranken- oder Hülfskassen beizutreten, 
In den beiden letzten Fällen bleibt doch dem Arbeiter die freie 
Wahl, welche ihm bei der Einmischung des Staats in das Kassen- 
wesen versagt ist. 
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