Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (2. Band)

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<Die Versammlung nahm — so berichtet eine Correspondenz der 
Neuen Zürcher Ztg. am 10. Juli — einen im Allgemeinen ruhigen Verlauf, 
obgleich es einige Redner an heftigen Ausfällen gegen die Meister und 
Arbeitgeber der Stadt nicht fehlen liessen. Gegen die Kantonsregierung 
wurde der Vorwurf erhoben, dass sie das Vereins- und Versammlungsrecht 
dadurch beeinträchtigt habe, dass sie dem « internationalen Arbeiterbunde» 
die dem Staate eigenthümliche, aber zur Zeit einem Privaten miethweise 
2 überlassene Reitschule nicht zur Benutzung eingeräumt habe; auch meinte 
| der Vorstand der Arbeiterversammlung besonders betonen zu müssen, dass 
sich die Regierung die Mühe füglich hätte ersparen können, ihre Polizei 
S <auf den Platz zu schicken ». Am schwersten fiel dem Arbeiterpräsidenten 
K. Fäh auf, dass die Arbeiter «jeden Schutzes entbehren » , obwohl ihren 
Versammlungen bis auf heute gar keine Hindernisse in den Weg gelegt 
N wurden; er beantragte zu beschliessen: a) feierlichen Protest einzulegen 
gegen das Vorgehen der Meister, wonach keinem dem internationalen Vereine 
angehörenden Arbeiter mehr Arbeit gegeben werden soll; b) die Nieder- 
setzung eines Schiedsgerichtes zur Ausgleichung der Anforderungen der Ar- 
beiter und Arbeitgeber; c) die Anordnung von öffentlichen Versammlungen 
durch die Kantonsregierung zur gegenseitigen Besprechung und Berathung. 
Der Vereinssekretär Forster in St. Fiden, von Beruf ein Schneider, er- 
2 klärte, dass der internationale Arbeiterverein von St. Gallen während des 
N, vierwöchentlichen Strike der 165 Appreturarbeiter vom Auslande weder 
t- Aufmunterung noch Unterstützung und lediglich von Genf eine Sendung von 
1000 Franken erhalten habe mit der wohlgemeinten Mahnung an die Ap- 
18 pretirer, ihre Arbeiten wieder aufzunehmen. Ein Abgeordneter aus Zürich, 
ie: Stephan, theilte mit , dass er eigentlich nur zu dem Zwecke abgeordnet 
T- worden, um zur Mässigung zu räthen und vor Ausschreitungen zu warnen; 
en er erkannte die beste Rettung in einer Revision der Bundesverfassung, in 
ait die auch ein Artikel zum Schutze der Arbeiter aufgenommen werden müsse. 
N. Nach ihm trat der Redactor der « Tagwacht », Hr. Greulich von Zürich 
cm auf. Er sprach von den «Herren», die sich bei Champagner und vollen 
i6- Fleischtöpfen wohl sein lassen, während ihre Arbeiter mit Erdäpfeln, Salz 
ud und Wasser meistens sich begnügen müssten. Auf die Aufforderung des 
iB- Vorstandes, dass sich auch Gegner der Arbeiterbewegung hören lassen 
uf möchten, fand sich von keiner Seite Bereitwilligkeit hiezu vor, obgleich 
he: Seitens der Leitung der Versammlung zum Voraus dem freien ‚Wort Schutz 
zugesichert wurde. Endlich, nachdem wieder mehrere Redner im Sinne 
er ihrer Vorredner sich hatten vernehmen lassen, bestieg Hr. Kaiser, Pro- 
SE: fessor an unserer Kantonsschule, die Bühne, um sein Wort zum Schutze 
9 der Arbeitgeber einzulegen. 
« Herr Kaiser wurde oft unterbrochen, zum Heruntersteigen von der 
ch Bühne und zum Aufhören eingeladen; mehrere Male war die kleine Glocke 
1b des Leiters nöthig, um die ihn unterbrechenden Arbeiter an Ruhe zu erinnern. 
an. Hierauf trat Hr. Greulich zum zweiten Mal auf, versuchte eine Wider-
	        
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