Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (2. Band)

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ohne irgendwie gehörig durch vorherige Organisation und Ansammlung von 
Geldmitteln gerüstet zu sein. So sehr nun auch die Verhältnisse das Vor- 
gehen der Arbeiter erklärlich und entschuldbar erscheinen lassen, so müsse 
es doch entschieden bedauert werden, und es seien die Zürcher Delegirten 
der Internationalen nicht etwa gekommen, um die strikenden Arbeiter mit 
schönen Versprechungen und aufreizenden Redensarten aufzufordern, unter 
allen Umständen den gegenwärtigen Kampf durchzuführen, sondern sie hätten 
vielmehr den Auftrag, den Arbeitern von Baden und Umgegend bei dieser 
Gelegenheit vor Allem die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen 
Einigung und Organisation und zugleich die Principien der Social- 
demokratie an das Herz zu legen. Die gewerkschaftliche Einigung und 
Organisation sei desshalb vor Allem nöthig, weil der Arbeiter eine Schutz- 
wehr haben müsse während des Kampfes für die vollständige Befreiung der 
Arbeiterklasse, welche nur dann möglich sei, wenn durch staatliche Förde- 
rung das Genossenschaftswesen ganz an Stelle der heutigen Ausbeuter-Pro- 
ductionsweise trete. 
Zu diesem Zwecke müssen sich die Arbeiter an der Politik, d. h. an 
den Angelegenheiten der Gemeinde, des Kantons und des gesammten Vater- 
landes auf das regste und ganz selbständig betheiligen, darnach streben, 
für ihre Vertreter die Mehrheit in allen Staatsbehörden zu erobern und die 
Gesetzgebung nach den wahren Volksinteressen zu gestalten suchen. 
Unter den nun in Baden und Umgegend gegebenen Verhältnissen empfehle 
es sich zunächst besonders, die gewerkschaftliche Organisirung auf die Weise 
vorzubereiten, dass vor Allem die Gründung selbständiger Kranken- 
und Invalidenkassen in Angriff genommen werde. » 
9. Abwendung einer Arbeitseinstellung in Bern. 
In Bern ist im Anfang Juni 1872 ein drohender Strike 
zwischen Schreinermeistern und Arbeitern friedlich ausgeglichen 
worden. « Fünf Meister und fünf Arbeiter >» — so berichteten 
die Zeitungen — « traten unter dem Präsidium des Schreiner- 
meisters Bomonti (Commandant der Berner Feuerwehr) zu einer 
Besprechung zusammen. Die Delegirten der Arbeiter, fünf 
brave und intelligente Männer, hatten ihre Begehren in etwa 
120 Punkten formulirt, die aber dann mit ganz wenigen Grund- 
sätzen abgethan wurden. Auf der Herabsetzung der Arbeitszeit 
heharrten die Arbeiter nicht und zwar mit dem sehr beachtens- 
werthen Motiv, dass der Arbeiter um so mehr verbrauche, je
	        
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