England keine fremde Bahn an den indischen Grenzen.
Allein aus diesem Grunde hat die Welt die so ungemein
wichtige Überlandbahn nach Indien bis heute nicht ver-
wirklicht gesehen ! Sie ist allerdings gegenwärtig auch
leichter zu entbehren, als es noch vor etwa einem Vier-
teljahrhundert der Fall war, denn die Einrichtung regel-
mäßiger Fluglinien nach Indien hat die Überland-Eisen-
bahn dorthin verschmerzen lassen. Eilige Post und
eilige Reisende gelangen heute natürlich auf der Indo-
Luftlinie (vgl. S. 66) sehr viel rascher als auf einer
Eisenbahn von Europa nach Vorderindien und um-
gekehrt. Somit ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß
die Überlandbahn nach Indien auch bei einer völlig ver-
änderten weltpolitischen Lage nicht mehr gebaut wer-
den würde.
Auch andere Eisenbahn-Projekte, die jahrzehntelang
im Brennpunkt des Wirtschaftsinteresses und der hohen
Politik standen, die aber aus irgendwelchen Gründen
nicht oder nur teilweise verwirklicht wurden, können
heute wahrscheinlich als abgetan gelten und werden
schwerlich noch einmal aufleben, da ihre Ausführung
einfach nicht mehr nötig ist.
Dies gilt z. B. von der berühmten Bagdadbahn, die
etwa von 1900 bis 1914 die Weltöffentlichkeit so erstaun-
lich oft beschäftigt hat; um sie wurden die erbittertsten
diplomatischen Kämpfe ausgefochten. Das Deutsche
Reich bzw. die vom Reich gestützten deutschen Unter-
nehmergruppen, die die Bahn bauen wollten, stießen
lange Jahre immer wieder auf den heftigsten Wider-
stand Englands und auch Rußlands, so daß die Bagdad-
bahn nur sehr langsam und nur in Bruchstücken ge-
schaffen werden konnte. Als der Weltkrieg ausbrach,
waren von der 1899 konzessioniertenBahn vomBosporus
bis zum Persischen Golf und trotz des stolzen Schlag-
wortes Berlin—Bagdad—Basra nur die kleinasiatische
Strecke vom Bosporus bis zum kilikischen Taurus, ein
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