Full text: Wege des Verkehrs

gleich wunderliche Denkart regte sich in noch ungleich 
stärkerem Maße, als in den dreißiger Jahren des 19. Jahr- 
hunderts die ersten Eisenbahnen aufkamen, die mit 
ihren »enormen« Geschwindigkeiten von fünfzehn Stun- 
denkilometern alles, was man bis dahin in bezug auf 
Reiseschnelligkeiten gewohnt war, auf den Kopf stell- 
ten. Das oft zitierte angebliche Gutachten des bayri- 
schen Medizinalkollegiums, das vor Benutzung der 
neuen Eisenbahn Nürnberg—Fürth (Eröffnung 7. De- 
zember 1835) warnte, weil die riesige Geschwindigkeit 
unweigerlich bei Benutzern wie Zuschauern geistige 
Störungen hervorrufen müsse, ist zwar eine historische 
Legende und in Wahrheit nie abgegeben worden; aber 
die Geschichte ist nett erfunden und spiegelt die Denk- 
art weiter Kreise der Zeit vor hundert Jahren gut 
wider. Tatsache ist jedenfalls, daß nach Eröffnung der 
ersten preußischen Eisenbahn Berlin—Potsdam (29. Ok- 
tober 1838) der bekannte und hochverdiente Pfarrer 
Gossner 1839 »die Schäflein inständigst warnte, sich ja 
von dem höllischen Drachen, dem Dampfwagen, um 
ihrer Seligkeit willen fernzuhalten«. 
Die Erfindung der Maschine konnte überhaupt nur 
dadurch für den Verkehr nutzbar gemacht werden, 
wenn die Wege grundsätzlich modernisiert und den er- 
höhten Belastungsansprüchen der Transportmittel an- 
gepaßt wurden. Die Eisenbahnen und später die Stra- 
ßenbahnen brauchten eigene Schienen, da nur so die 
hindernde Reibung des Erdbodens ausreichend verrin- 
gert werden konnte, um die gewünschten höheren Ge- 
schwindigkeiten zu erreichen. Die neuen Dampfschiffe 
beanspruchten für ihre Maschinen verhältnismäßig viel 
Raum, größere Tragkraft und größeren Tiefgang. Des- 
halb wurden die Schiffe, die seit Jahrtausenden kaum 
eine nennenswerte Vergrößerung erfahren hatten, mit 
dem Beginn des Maschinenzeitalters immer geräumiger 
und größer; diese Entwicklung ist bis heute noch nicht 
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