zeitweilige Gabelungen ein, sobald ein Fluß Hochwas-
ser hat. So floß ehedem aus dem noch unregulierten
Niederrhein zuweilen ein starker Arm bei Rees der
Zuiderzee zu, während der dauernd dorthin strömende
Isselarm eine künstliche Schöpfung ist, die in den letz-
ten Jahren vor Christi Geburt durch Drusus geschaffen
wurde, um der römischen Rheinflotte einen bequemen
Zugang in die deutschen Wattenmeere zu bieten.
Die bedeutendste Hochwasser-Gabelteilung in Eu-
ropa, die hier und da auch von kleinen Schiffen benutzt
wurde, um aus einem Stromsystem ins andere gelangen
zu können, befindet sich zwischen dem Dnjepr und
der Düna: bei hohem Wasserstand entsendet der Dnjepr
bei Orscha einen Seitenarm, der nach Norden in die
Düna und somit in die Ostsee fließt. In Südafrika fin-
den sich des öfteren ähnliche Erscheinungen kleineren
Ausmaßes und werden von den Eingeborenen gern be-
nutzt, um ihre Fahrzeuge ohne Mühe aus einem Fluß
in den anderen zu bringen.
Alle derartigen Gabelteilungen haben jedoch für das
praktische Verkehrsleben entweder überhaupt keine
oder nur eine gelegentliche, also unwichtige Bedeutung.
Selbst der genannte mächtige Cassiquiare-Arm des Ori-
nocos ist für den Verkehr, obwohl er 450 km Länge
aufweist und an sich eine tiefe Wasserstraße zwischen
dem Orinoco und dem Rio Negro-Amazonas darstellt,
ohne Wert, vornehmlich freilich deshalb, weil die
Moskitoplage auf ihm so gewaltig ist, daß die Schiffe
ihn meiden.
Frühzeitig bemühte sich nun aber der Mensch, dem
an gut schiffbaren Übergängen aus einem Stromsystem
ins benachbarte sehr viel liegen mußte, um Schaffung
»künstlicher Bifurkationen«, d. h. um den Bau von Ka-
nälen. Sehr lange Zeit war die Technik größeren Auf-
gaben dieser Art nicht gewachsen, so daß nur ganz ver-
einzelt im flachen Tiefland solche Kanäle möglich
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