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Begetabilifhe Nohftoffe, IX, Cap,
IX. Capitel
Die Loh: vder Gärbe: Materialien.
Die thierifhen Häute Taffen fich in ihrem natürlichen Zuftande nur zu weni:
gen Zweden anwenden, weil fie, fo lang fie feucht find, Leicht in Fäulnif über»
gehen, und wenn fie ausgetrodnet find, Hart und brüchig werden. Sollen fie
dauerhaft, gefhmeidig und biegfam, zu verfchiedenem Gebrauche tauglich werden
and der Fäulnif widerftehen, fo muß man fie durch eine Hemifche Behandlung,
oder daS fogenannte Gärben, in Leder vermandeln. Das Princip der Gärbe-
vet liegt darin, durch Behandlung der rohen Häute, die größtentheil8 aus Gal-
jert beftehen, mit gärbfäurehaltigen Materialien eine Verbindung von Gallert
und Gärb{äure hervorzubringen. Man unter[heidet vornehmlich vier verfchiedene
Behandlungsarten der Häute, nämlich 1) die Loh- oder Rothgärberei, bei
melcher die Häute mit Gärbfäure und mit vegetabilifchen Stoffen behandelt wer-
den; 2) die Weifgärberei oder Behandlung mit Alaun und Kochfalz; 3) die
Sämifhgärberei oder Behandlung mit Fett; 4) die Pergamentfabhri-
zation oder Behandlung mit Kalk. Hier Haben wir e8 nur mit folchen Pflan:
jenftoffen zu thun, welche in der LohHgärberei angewendet werden. Man hat vor-
sehmlich diejenigen auszuwählen, welche die meifte Gärbjäure enthalten und da-
her in der Gärberei am wirkffamften find, und zu diefem Ende hat man Tabellen
son S$. Davyy, Biggin und Cadet de Gafficourt, melche den Gehalt
der wichtigern Gärbe = Materialien an SGärbfäure angeben,
Die Gärbe- Materialien, die man im zerkfleinerten Zuftande auch Lohe,
Särberlohe oder Lederlohe nennt, find nach dem größern oder geringern
Gehalte an Gärbfäure (fonft Gärbeftoff genannt), der allein ihren Werth
beftimmt, {ehr verfchieden, Die Gallusfäure, welche in den meiften gärbfäurehalti:
gen Bflanzentheilen einen Nebenbeftandtheil ausmacht, geht mit der SGallert Feine
Hemifche Verbindung ein und wird daher heim Gärben nicht berücfichtigt; dage-
zen {Dheinen die Übrigen ertractiven Beftandtheile der Gärbe = Materialien Hierbei
nicht gleichgültig und wirkungslos zu fein, da verfchiedene Arten von Gärbe-
Materialien auch verfchiedene Arten von Leder Hervorbringen. Die färbenden Theile,
die In den meiften Gärbe = Materialien mit den übrigen Stoffen genau verbunden
ind, ertheilen dem Leder eine eigenthümliche, ihrer Natur entfprechende, meift
braune Farbe, und follten daher, bevor man ein neues Material zum Gärben in
Anwendung feßen will, genau in Erwägung gezogen werden.
Bei der Unterfuchung der Gärbe = Materialien auf ihre wirffamen Beftand»
heile foll man nicht nur auf den heil Ihrer Infufion Rückficht nehmen, der
durch SGallert fällbar ift, fondern auch auf die Menge und Befchaffenheit des
Extractivftoffes, und menn man vergleichende Verfuche mit verfchiedenen Materia-
lien anftellt, müffen alle in demfelben Grade von Concentration genommen wer:
den. Davyys Verfahren zur Schägung der Gärbekraft der gärbfäurehaltigen Ma-
terialien befteht darin, daß man Leim oder Haufenblafe in Fochendem Waifer auf»
[Sfet und in eine wäfferige Abkochung des gärbfäurehaltenden Materials fhHüttet.
Die trübe Slüffigkeit wird filtrirt, der Niederfhlag ausgefüßt, getrocnet und ge=
mogen; 7/z des Gewichtes des NMiederfhlages find gleich dem Gewichte ver in dem
Materiale enthaltenen Gärbfäure, Diefes Verfahren ift jedoch in mehrfacher Hin-
jicht als trügerifch betrachtet morden; denn e8 Fommt fehr viel auf die Concen-
ration der Yuflöfung an, indem die concentrirteften den mehrften Nieverfhlag
geben; {odann muß man nur fo viel Leimauflöfung zufeben, al8 gerade zur Präs