Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

140 Erster Teil. Drittes Buch. 
wurde, obwohl Huter selber in der eben beendeten Ära der Verfolgungen 
in Tirol, wohin er sich geflüchtet, der Obrigkeit in die Hände gefallen 
und elend umgekommen war. „Liefsen ihn — erzählen die Geschichts- 
bücher der Wiedertäufer — in eiskaltes Wasser setzen und nachdem in 
eine heifse Stuben führen und mit Ruten schlagen; auch habens ihm 
seinen Leib verwundet, Branntwein in die Wunden gossen und an ihm 
angezündt und brennen lassen“ (dieses wie verschiedene andere Citate 
mitgeteilt nach KAuTsKy). 
Die mährischen Wiedertäufer — die man wegen des von Huter ge- 
übten Einflusses allgemein Huterische Brüder nannte — hatten sich 
danach also konstituiert. Die wirtschaftliche Grundlage ihrer Gemeinden, 
die, gegen 70,an der Zahl, gewöhnlich je 400—1000 Insassen hatten, 
war der Kommunismus, in erster Linie natürlich der der Konsumtion 
— wie das den urchristlichen Motiven der in Rede stehenden Wirtschafts- 
gestaltung entsprach —, dann aber auch in weitem Umfange der der-P.ro0+ 
duktion. Ein grofser Teil. der Mitglieder mufste nämlich ausschliefslich 
oder doch wenigstens zum Teil direkt für die Gemeinschaft arbeiten, 
und zwar überwog hier die gewerbliche Arbeit vor der landwirtschaft- 
lichen, was damit zusammenhing, dafs die eingewanderten Täufer in den 
Städten, woher sie kamen, ein Handwerk betrieben hatten; was dann die 
Gemeinschaft nicht selbst brauchte, wurde von ihr an Fremde verkauft, — 
ein Fall, der regelmäfsig bei den Produkten der Messerfabrikation und 
der Tuchmacherei, die sehr florierten, vorkam. Der Umstand, dafs ihrer 
Produktion durch den Selbstverbrauch der Gemeinde ein bestimmter Ab- 
satzkreis gesichert war, erleichterte da, wo es lohnte, die Einrichtung von 
gröfseren Betrieben, von sog. „Manufakturen“. Alle Betriebe waren auch 
insofern sozialistisch organisiert, als sie, wo nur irgend möglich, einander 
in die Hände arbeiten mufsten, gemäfs den Anweisungen centraler In- 
stanzen. So durften die Werkstätten alle benötigten Rohstoffe, soweit sie 
überhaupt irgendwo in den Gemeinden vorrätig waren, nur von hier be- 
ziehen; die Schlächter mufsten die Häute und Felle den Gerbern über- 
geben, diese wieder das Halbfabrikat den Schustern, Sattlern und Riemern; 
die Webereien erhielten den Rohstoff aus den Baumwollstuben geliefert, 
die Schneider das Halbfabrikat von den Tuchmachern. Wo es aber 
doch nötig ward, die Rohstoffe zu kaufen, wie z. B. Eisen und feinere 
Öle, da wurden sie en gros für alle Werkstätten der gleichen Branche 
von einem eigens dafür angestellten Einkäufer besorgt. Andere Brüder 
wieder waren damit beschäftigt, das Rohmaterial jeder einzelnen Werk- 
stätte zuzuteilen und schliefslich überall die gewerbliche Arbeitsthätigkeit 
zu inspizieren zum Zwecke einer planmäfsigen Kooperation aller Betriebe 
und Branchen. 
Neben jenen, deren Produkte direkt in den Besitz der Gemeinschaft 
übergingen, arbeiteten viele Brüder selbständig für den Verkauf auf dem
	        
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