Erster Teil. Erstes Buch.
Inzwischen aber war eine neue Art „Arbeitslosigkeit“ in grofsem
Umfange entstanden, die gerade für die mächtigsten antiken Gemein-
wesen so charakteristisch ist: jene des städtischen Bürgers, der sich lieber
von staatlichem Solde, als von der eigenen Arbeit nährte. Dies wird
verständlich, sobald man sich die eigenartige Situation vergegenwärtigt,
in der sich das athenische Volk um die Mitte des fünften Jahrhunderts
befand. Der gewaltigen Heerscharen des Grofskönigs war es Herr ge-
worden; und nachdem kurz zuvor noch sein Geschick auf des Messers
Schneide gestanden, hatte es kräftig die Offensive ergriffen und das
attische Reich begründet. Dieses Volk nun, dessen Selbstgefühl durch
das von ihm täglich souverän und direkt ausgeübte Regiment sehr ge-
steigert werden mufste, wollte natürlich auch die materiellen Früchte
von Herrschaft und Demokratie pflücken. Deshalb mufste Perikles, um
sich am Regiment zu erhalten, zu dem Mittel greifen, die Wünsche des
Volkes durch staatliche Zuwendungen zu erfüllen, und kam so dazu, „wie
viele behaupten, das Volk zuerst mit der Verteilung der Ländereien, den
Schauspielgeldern und dem Dienstlohn bekannt zu machen, es durch seine
Staatsmaximen zu verwöhnen und damit aus einem mäfsigen und arbeit-
samen Volk in ein üppiges und übermütiges zu verwandeln“ (PLUTARCH).
Zunächst führte Perikles die Besoldung der Richter ein. Das war
wirklich notwendig, wenn die ärmeren Bürger am Geschworenendienst
teilnehmen sollten, hatte aber praktisch die Folge, dafs nicht weniger als
6000 Bürger (von im ganzen 30000, die in Attika lebten, neben denen
es dann noch etwa 10000 „Kleruchen“ aufserhalb Attikas gab) als Ge-
schworene je zwei Obolen (d.h. etwa den Lohn eines Tagelöhners) für
jede Sitzung erhielten. Die hohe Zahl der Richter kam daher, dafs die
Kompetenzen des Volksgerichtes erweitert, ja sogar bestimmte Prozesse
der am attischen Reiche teilnehmenden Gemeinden nach Athen verwiesen
wurden, und dafs ferner Hunderte, ja bis 1500 Geschworene in den ein-
zelnen Sachen tagten. Dann wurden die Ratsherren, die ebenso wie
die Geschworenen erlost wurden, 500 an der Zahl, mit einer Drachme
(== 6 Obolen) pro Kopf täglich besoldet. Da aufserdem eine Menge
Beamte und Truppen von Staats wegen unterhalten wurde, so lebte in
dieser Zeit mehr als die Hälfte aller Bürger auf Staatskosten. Denn —
sagt Aristoteles in einem naiv launigen Bericht — „aus den Umlagen und
Zöllen der Bundesgenossen vermochten sich mehr als 20000 Bürger zu
erhalten: 6000 Richter, 1600 Bogenschützen, 1200 Reiter, 500 Ratsherren,
500 Mann Besatzung in den Werften, 50 Burgwächter, gegen 700 Beamte
in Attika, etwa eben so viel aufserhalb Attikas, dann später seit Beginn
des Peloponnesischen Krieges die stehende Besatzung von 2500 Schwer-
bewaffneten, 20 Wachtschiffe, ferner die Schiffe zur Beitreibung der Bundes-
umlagen mit ihrer Bemannung von 2000 durch das Los bestimmten See-
leuten, endlich die im Prytaneion zespeisten Personen, die Waisen und die
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