at Erster Teil. Erstes Buch.
Ein Ende wurde diesem System erst gemacht, als im Jahre 322 die
siegreichen Macedonier (unter Antipater) in Athen ihren Einzug hielten,
die alte demokratische Verfassung stürzten und die Herrschaft des „ab-
scheulichsten Tieres“, wie den attischen Demos selbst sein sonst guter
Freund Demosthenes gelegentlich nannte, beseitigten. Fortan sollte das
Stimmrecht nicht mehr allgemein, sondern nur auf die Vermögenden_ be-
schränkt sein. Dadurch verloren von den 21000 Bürgern Athens auf
einen Schlag 12000 das Recht der Teilnahme an den wählenden und
beschliefsenden Versammlungen. Mit der alten Verfassung war aber
auch ihre Konsequenz, die in der Fütterung der Plebs gipfelnde Sozial-
politik, für immer beseitigt. Denn all die Diäten für Teilnahme an Volks-
versammlung und Volksgericht fielen nun von selbst fort, weil das „Volk“
ja gar nicht mehr zugelassen wurde, und auch mit der Praxis der Aus-
teilung von Spenden in Form von Festgeldern wurde jetzt definitiv ge-
brochen. Die Not aber, die alsbald in Athen ausbrach, weil viel armes
Volk, das an die Alimentierung aus der Staatskrippe gewöhnt war, nun
nicht mehr wufste, wovon leben, — diese Not heilte Antipater dadurch,
dafs er mehrere Tausende davon in Thracien ansiedelte, wo sie von
nun an in harter Arbeit den Kampf ums Dasein zu bestehen hatten, dem
sie bis dahin als hommes entretenus aus dem Wege gegangen waren.
Dem Rest der ärmeren. Bevölkerung aber war dadurch in Attika selbst
Spielraum für Thätigkeit und Erwerb geschaffen.
In Rom bildeten sich seit dem_zweiten Jahrhundert ähnliche Zu-
stände heraus, nur dafs sie weit grofsartigere Dimensionen annahmen.
Durch die Proletarisierung der kleinbäuerlichen Schichten, die in Handel
und Gewerbe kein Unterkommen fanden, sammelten sich in der Haupt-
stadt unbeschäftigte Massen an, die bald gänzlicher Verkommenheit an-
heimfielen und für Jeden zu haben waren, der etwas zu bieten hatte. So
mulfste es über kurz oder lang nötig werden, diesen grofsstädtischen Pöbel
aus der Staatskrıppe zu ernähren. Den Anfang mit dieser Politik machte
der Jüngere Gracchus, der, um das Volk an sich zu fesseln, ein Getreide-
gesetz (lex frumentaria) zur Annahme brachte, nach dem regelmäfsig
jeden Monat jeder in Rom ansässige arme Bürger aus den öffentlichen
Magazinen ein gewisses Quantum Getreide zu einem ganz geringen Preise
erhalten sollte. Früher war wohl in Zeiten der Teuerung vom Staat
Getreide beschafft und billig an das Volk abgegeben worden; zuweilen
hatten auch ehrgeizige Privatmänner unter das Volk Brot, Fleisch oder
andere Gaben verteilt; aber das war bisher nur Ausnahme gewesen
und als Almosen aufgefafst worden, und nun wurde es Prinzip und
geradezu als Recht des Armen statuiert. Mit brillanter Knappheit weils
Cicero über dies Gesetz zu berichten: „Frumentariam legem C. Gracchus
ferebat. Jucunda res plebi Romanae. Vietus enim suppeditabatur large
sine labore. Repugnabant boni, quod et ab industria plebem ad desi-
I