Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

1 Erster Teil. Erstes Buch. 
entfliehen gesucht, — aber sie haben niemals ein eigenes Programm 
aufgestellt, niemals eine eigene Partei gebildet, niemals auch nur das 
Institut der Sklaverei an sich anzutasten gewagt. Sie geben lediglich 
das passive Piedestal für alle Kämpfe um politische und soziale Macht ab. 
Das Ideal des freien Mannes mufste darum damals, wo der Klein- 
betrieb im Handwerk, Handel und Landwirtschaft die Grundlage der 
Produktion darstellte, die wirtschaftliche Selbständigkeit sein: und 
damit war ein kommunistisches Programm für die Masse der Bürger von 
selbst ausgeschlossen, — wohl aber ist nur zu begreiflich, dafs die Staats- 
gewalt häufig genug angerufen wird, seis um in ihrer ökonomischen 
Selbständigkeit bedrohte Bürger zu schützen, seis um bisher besitzlose 
selbständig zu machen. Daher taucht schon in der ältesten Zeit Athens, auf 
die das Licht der Geschichte fällt, das Schlagwort einer neuen Teilung 
des Bodens auf, das von Solon mit den Worten zurückgewiesen wird: 
„Tyrannei soll nie uns knechten, doch auch nie den gleichen Anteil 
An des Ackers fetter Scholle Edle und Gemeine haben.“ 
Und faktisch kam es ja damals, wenn auch nicht dazu, so doch zu einer 
generösen bäuerlichen Schuldentlastung, die die Existenz des Kleinbürger- 
standes für Jahrhunderte sicherstellte. So liefert das eben festgestellte 
sozialpolitische Prinzip, das sich uns aus der Betrachtung der technischen 
Organisation der Produktion im Altertum von selbst ergab, den Schlüssel 
zum Verständnis der meisten sozialpolitischen Parteibestrebungen und 
gesetzgeberischen Aktionen jener Epoche. Es erklärt die Art der Kolonial- 
gründung bei Griechen und Römern, die Aufteilung beträchtlicher Stücke 
der eroberten Länder unter die Sieger, die bei den athenischen „Kleruchien“ 
befolgte Politik, die sozialpolitischen Bestrebungen von Agis und Kleo- 
menes in Sparta, die grofsartige Entwicklung des Systems der öffentlichen 
Arbeiten unter den hellenischen Tyrannen und unter Perikles, die Ansied- 
Jung der römisch-latinischen bäuerlichen Bevölkerung in Mittelitalien und 
die Reformbestrebungen der Gracchen. 
Nun gabs freilich auch damals ein — zu Zeiten enorm anschwellen- 
des — freies Proletariat, das keinerlei Aussicht auf wirtschaftliche Selb- 
ständigkeit hatte. Wollte dieses nicht auch nach dem Muster von Aristo- 
kratie und Mittelstand die Staatsgewalt für sich in Bewegung setzen? 
Allerdings, — aber diese Bestrebungen richteten sich naturgemäfs nicht 
auf den fernen kommunistischen Zukunftsstaat, von dem sich das Prole- 
{ariat doch keine Vorstellung hätte machen können, sondern auf näher- 
liegende Interessen, wie sie durch das Schlagwort „panem et circenses!“ 
klassische Bezeichnung gefunden haben. Das Proletariat erhielt hier seine 
Existenz von Staats wegen sichergestellt — wenn auch freilich bei der 
ungeheuren Menge der nach der Futterkrippe Drängenden immer nur in 
allerbescheidenstem Umfange — und darüber hinaus noch ein „Recht auf 
Vergnügen“ zugebilligt. Die Art der Erfüllung war natürlich nicht immer 
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