2. Kapitel. Sozialistische Ideen in Athen, bes. Platos aristokrat. Kommunismus. 27
gang herbei. So tritt Sokrates, bis zum letzten Augenblick in schärfsten
Gegensatz zur Demokratie. seiner Vaterstadt.
Aber bald begnügte man sich nicht mehr mit der Kritik, sondern
sing angesichts der unbefriedigenden Zustände dazu über, Reformpläne
auszusinnen, wenn sie auch alle natürlich in Athen, wo die Demokratie
wie ein rocher de bronce stabiliert war, aussichtslos sein mufsten. Aus
diesem Grunde war der klügste Reformplan, der mit der bestehenden
Art der Volksherrschaft brach, faktisch ebenso undurchführbar wie irgend
ein von der Phantasie hervorgezaubertes Ideal. Damit war von selbst
gegeben, dafs alle solche Theorien unpraktisch sein und folgerecht sich
bald zur Utopie oder gar zur Karrikatur entwickeln mufsten.
Das ist der Boden, auf dem die politische Spekulation des
ausgehenden 5. und des 4. Jahrhunderts in Hellas erwuchs. Sie wird
in erster Linie dadurch charakterisiert, dafs sie gegen die antike Demo-
kratie athenischen Musters Front macht, seis nun dafs sie sich dabei
unverhohlen auf die Seite der Aristokratie stellt, oder seis dafs sie zum
Besten aller Klassen eine Änderung der Verfassung in Vorschlag bringt.
In jenem Sinne sind besonders charakteristisch Ansichten, wie sie von
Kallikles in einem der platonischen Dialoge ausgesprochen werden:
der grofse Haufen der Schwachen, meint der, machten Moral und Ge-
setz, um die Herrschernaturen im Zaume zu halten, — diese brauchten
sich aber keinen Pfifferling darum zu scheren, sondern hätten ein natür-
liches Anrecht auf Herrschaft und alles Eigentum der „Schlechtern und
Geringeren“. Nun ist Kallikles freilich eine erfundene Figur, aber „das
Programm, das er vertritt, ist nicht etwa aus dem Nichts entstanden
oder gar ein Phantasiestück Platos, vielmehr haben die einzelnen Sätze
ihre Vorgeschichte“ (FERDINAND DÜMMLER).
Als Beispiel für die andere Richtung sei die Lehre des Hippodamos
von Milet erwähnt, der als Architekt in Athen lebte. Er brachte eine
tiefgreifende, aber schematisch konstruierte Wirtschafts-, Gerichts- und
Verwaltungsreform in Vorschlag. Die ganze Bürgerschaft sollte in
drei Klassen zerfallen: Soldaten, Bauern und Handwerker nebst Künst-
lern. Das ganze Land sollte ebenfalls in drei Teile zerlegt werden:
Tempel-, Staats- und Privatacker, wovon der erste zur Bestreitung aller
Kulturbedürfnisse, der zweite zum Lebensunterhalt der Krieger und der
dritte als Eigentum der Bauern dienen sollte. Weiter sollten dann die
Fehlurteile der Volksgerichte durch Schaffung eines Kassationshofes
korrigiert. werden. Dann sollten alle Beamtenstellen durch Wahl (nicht,
wie bisher, durchs Los) besetzt worden, und so folgen noch einige
andere Reformbestimmungen. —
Der aristokratischen Opposition gegen die athenische Demo-
kratie schlossen sich nun die Träger der an Sokrates anknüpfenden und
seit dessen Tode mächtig anschwellenden ethischen Reformbewe-