Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

2. Kapitel. Sozialistische Ideen in Athen, bes. Platos aristokrat. Kommunismus. 31 
der privaten Familie und des privaten Eigentums erreichen. Auf diese 
Weise kam aus Gründen des ethischen Rigorismus ein System des. 
aristokratischen.Kommunismus-zu-stande, das den späteren kom- « 
munistischen Doktrinen — auch solchen, die auf ganz anderen ethischen 
und politischen Prinzipien beruhten — oft zum Vorbild gedient hat. 
Die Gedankenführung ist im besonderen diese. Das höchste Ziel 
des menschlichen Lebens ist die Glückseligkeit. Dies Ziel kann aber nur 
der Tugendhafte erreichen; denn nur wer gut und gerecht ist, findet auf 
die Dauer vollen Seelenfrieden, mag sein äufseres Los sich gestalten, wie 
es wolle, — während der Ungerechte eine kranke Seele hat, sein Gött- 
lichstes dem Tierischen_in sich unterwirft und sich daher trotz höchster 
Erfolge im Leben schliefslich unbefriedigt und elend fühlen mulfs. 
Worin besteht nun die Tugend? Nach Plato in vier Grundeigen- 
schaften, nämlich der Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung und Ge- 
rechtigkeit. „In der richtigen Beschaffenheit der Vernunft besteht die 
Weisheit; darin, dafs der Mut die Entscheidung der Vernunft über das, 
was zu fürchten oder nicht zu fürchten ist, gegen Lust und Schmerz 
aufrecht hält, die Tapferkeit; in der Übereinstimmung aller Seelenteile 
über die Frage, wer von ihnen zu befehlen und wer zu gehorchen hat, 
die Selbstbeherrschung ; in dem Ganzen dieses Verhältnisses, darin, dafs 
jeder Seelenteil seine Aufgabe erfüllt und nicht über sie hinausgreift, die 
Gerechtigkeit“ (EDUARD ZELLER). 
Wer nun in jener Zeit über ethische Fragen spekuliert, will, wie 
bereits bemerkt, seine Lösung unmittelbar für die Politik nutzbar machen, 
und so kommt es, dafs auch bei Plato das politische Problem die Spitze 
ist, in die das ethische schliefslich ausläuft. Der Staat ist die grofse Ge- 
meinschaft der Menschen, und, soll die Tugend auf Erden wahrhaft in 
Ehren stehen, so mufs der Staat für die Tugend und die Glückseligkeit 
der Bürger Sorge tragen und auch als Ganzes eine Erfüllung jener vier 
Kardinaltugenden darstellen. Wie kann das möglich werden? Offenbar 
nur so, dafs jene, die in ihrer Person die Weisheit auf Erden repräsen- 
tieren, das Regiment führen. Dafs dann eine Massenregierung unmöglich 
ist, war durch das Beispiel der athenischen Demokratie aufs klarste be- 
wiesen. So will Plato angesichts der Unfähigkeit der Menge, sich. zur 
Höhe philosophischen Erkennens und Handelns zu erheben — „PiAö- 
T0POV YdQ INFOS AdüvatoV eivaı“ —, es mit dem geraden Gegenteil 
versuchen: mit dem absoluten Regiment der Wenigen, die sich in harter 
Zucht als die weisesten bewährt haben. 
Darum geht Platos Absicht zunächst dahin, aus der Bürgerschaft 
eine Elite herauszudestillieren: die an körperlichen und geistigen Gaben 
Reichsten sollen einem speciellen Training unterworfen und in besondere 
Lebensverhältnisse versetzt werden, damit ihre Talente und ihre Moral zu 
ihrem und ihres Vaterlandes Besten möglichst ausgebildet werden. Aa
	        
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