Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

3. Kapitel. Kritische Würdigung des platonischen Kommunismus. 43 
und die Mittel, ihnen entgegenzukommen. Ein Mann, der wahre Herr- 
scherqualitäten besitzt, wird auch durchaus keine Neigung haben, sich, 
nach Platos Wunsch, mit der Herrschaft für die kurze Spanne Zeit zu 
begnügen, wo gerade die „Reihe“ an ihm ist, sondern er wird solange 
als möglich das Staatsschiff zu lenken streben. 
Noch mehr Bedenken aber mufs sein Glaube erwecken, dafs die in 
Aussicht genommene Staatsomnipotenz je von wirklichen Menschen auf 
die Dauer würde ertragen werden können Man braucht nur daran zu 
erinnern, dafs die Behörde bestimmen soll, mit welchem Weibe und 
wie häufig jeder Einzelne sein Lager zu teilen habe, — um zu begreifen, 
welche absolut unerträglichen Verhältnisse Plato gerade den oberen Klassen 
seines Idealstaates zumutet. Allen solchen Einwänden würde Plato frei- 
lich mit dem Hinweis auf das hohe ethische Pathos, das angeblich seine 
Bürger beseelt, begegnen; da aber ein solcher immerwährender T’ugend- 
taumel aufser vielleicht bei einigen wenigen auserlesenen Individuen in 
der Wirklichkeit nicht vorkommt, so ist damit sein Gemeinwesen, das 
eben nur in der Phantasie eines Dichters existieren kann, vom staats- 
männischen Gesichtspunkte aus gerichtet. Und darum konnte ihm schon 
im Altertum vorgehalten werden: er habe nicht für wirkliche Menschen 
geschrieben, sondern für die von ıhm ersonnenen! 
Und wenn nun Plato selber die heutigen Menschen nicht für fähig 
zu der von ihm vorgeschlagenen höheren staatlichen Existenz hält, son- 
dern zu diesem Zwecke eine strenge, alle Lebensverhältnisse umspannende 
soziale Pädagogik, welche die Kinder schon im zartesten Alter erfafst, 
empfiehlt, -— so ist einmal diese Überschätzung der Macht der Erziehung 
für Plato wie für alle späteren Sozialisten charakteristisch, und ferner 
ist eine solche Pädagogik einfach schon wegen des Mangels einer hin- 
reichenden Anzahl von Pädagogen undurchführbar. — 
Merkwürdig knapp sind in seinem Idealbilde, wenigstens für den Ge- 
schmack moderner Nationalökonomen, die Erwägungen rein wirtschaft- 
licher Natur ausgefallen. Immerhin reichen sie zu einer prinzipiellen 
Charakteristik der ökonomischen Grundlagen der Politeia aus. 
Alle Klassen, die nicht zu den höheren gehören — also Bauern, 
Handwerker und Kaufleute —, wirtschaften auf der Basis des Privat- 
eigentums so weiter wie bisher, soweit es eben nicht den Regenten be- 
liebt, kraft ihrer absoluten Machtvollkommenheit ihnen Vorschriften zu 
machen. Plato glaubt mit Recht annehmen zu sollen, dafs seine Regenten, die 
angeblich die Summe menschlicher Weisheit repräsentieren, schon selber 
wissen werden, welche Anordnungen sie zu treffen haben: er braucht 
ihnen daher in seinem Verfassungsentwurfe nicht vorzugreifen, — aber 
auf eine merkwürdige Mafsregel, die späterhin bei den sozialen Vor- 
schlägen von Philosophen öfters wiederkehrt, weist bereits Plato hin: auf 
die Pflicht der Obrigkeit, jedem Einzelnen seinen Platz anzuweisen. So soll
	        
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