52 Erster Teil. Erstes Buch.
sozialer Glückseligkeit beschäftigte, so kann es nicht wundernehmen, dafs
wir hier stellenweise verwandten utopistischen Ideen begegnen. Hervor-
zuheben ist in erster Linie die „Heilige Chronik“ (iegd dvayoagn) des
Euhemeros von Messana, worin — wenn wir dem Berichte Diodors trauen
dürfen — von dem unter priesterlichem Regiment in Gemeinschaft glücklich
dahinlebenden Volke der Panchäer Kunde gegeben wird. Mit Ausnahme
von Haus und Garten ist alles Gemeingut; zwar baut jeder allein den ihm
überwiesenen Acker, aber alle Produkte mufs er ins Centralmagazin ab-
liefern. Die Aufgabe der Priester ist es dann, „Jedem nach dem Grund-
satze der Gerechtigkeit zu geben, was ihm zukommt“ (z0 &xißcalhov
ExdOT@ Ötmalws dmr0ovELOvOLY), Wobei die zehn besten Landwirte prämiert
werden, „um die anderen anzuspornen“ (m90T007HG Evena TOV ALLwY).
Noch von einem anderen dichterischen Utopisten berichtet uns Diodor:
von Jambulos und seiner Schilderung der „Sonneninsel“. Hier wohnt
im Einklang mit der Natur und von ihr mit den herrlichsten Gaben
bedacht ein glückseliges Volk, das einen weitgehenden Kommunismus
durchgeführt hat. Die Bewohner sind in Genossenschaften von je vier-
hundert Personen eingereiht, an deren Spitze der jeweilig Älteste steht,
dem unbedingter Gehorsam geleistet wird. Alle sind gleichmäfsig zur Arbeit
verpflichtet; und so weit geht die Gleichheit, dafs sie in ihren Thätig-
keiten einander ablösen, „also dafs Jeder abwechselnd die Anderen be-
dient, Fische fängt, Handwerke treibt oder die öffentlichen Geschäfte be-
sorgt“. Wie die Produktion, so dirigiert der Staat auch die Konsumtion;
dem Wechsel der Arbeiten entspricht ein Wechsel der Speisen, sodafs „hier
auch Alles, was mit der Ernährung zu thun hat, einer festgesetzten Ordnung
unterliegt“ (DroDoR). Die Frauen sind Allen gemeinsam (ohne dafs wir über
die Durchführung dieses Prinzips näher unterrichtet werden), und konse-
quent werden alle Kinder als „Kinder der Gemeinschaft“ angesprochen und
gemeinsam erzogen. So ist aus diesem Gemeinwesen alle Ehrsucht verbannt
und das Zusammenstimmen Aller (du6övo:a), das ihnen als höchstes Gut gilt,
ist zur Thatsache geworden! Soweit der dürftige Bericht Diodors ein Urteil
zuläfst, haben wir in dieser Utopie den von platonischen und zenonischen
Ideen beeinflufsten Ausdruck des Sehnsuchtsstrebens der hellenistischen
Zeit nach dem Glück und der Unschuld des Naturmenschen zu erbliceken. —
Aus Rom ist, im Gegensatze zu Hellas, von keinerlei Kundgebungen
für den Sozialismus zu berichten. Wer dort an der Vollkommenheit von
Staat und Gesellschaft zweifelte, machte praktischere Reformvorschläge, die
dem Bestehenden und der menschlichen Natur Rechnung trugen. Aber nicht
blofs der nüchtern praktische Sinn des Römers, sondern ebenso auch sein
ausgeprägt privatwirtschaftlicher Erwerbsgeist haben verhindert, dafs er
sich von den Idealen des Kommunismus irgenwie gefangen nehmen liefs. —