Full text: Anpassung der industriellen Arbeit an die psychophysische Beschaffenheit des Menschen

sie gerade eine physiologische Forderung darstellt. Bei den sogenann- 
ten leichten Arbeiten mag es eine Anzahl von Beschäftigungen 
geben, die sich ohne längere Pausen durchführen lassen. Eine 
Intensivierung wird auch diese Arbeiten in ihrer Pausenforderung 
den schweren Arbeiten nähern. Die in jüngster Zeit eingebürgerte 
Unsitte, die Arbeitspausen möglichst zu verkürzen oder gar ganz 
wegfallen zu lassen, widerspricht den arbeitsphysiologischen Er- 
kenntnissen und führt zur frühzeitigen Abnutzung der menschlichen 
Arbeitskraft. Diese Gefahr besteht sowohl für erwachsene gesunde 
Arbeiter, als auch in besonderem Maße für Schwache und Kranke, 
sowie für Frauen und Jugendliche*. Gewiß ist es erwünscht, früher 
zu Hause zu sein, in den Sommermonaten mehr Zeit zu haben, den 
Kleingarten zu bestellen; für die Frauen, noch Zeit zu haben, Ein- 
käufe in Ruhe zu besorgen. Alle diese Dinge aber müssen für den 
Arbeiter zurücktreten hinter der Schädigung der Gesundheit, die 
ein stundenlanges pausenloses Arbeiten, ein Arbeiten ohne eine zur 
Einnahme der Mahlzeit und zum Ausruhen notwendige Mittags- 
pause mit sich bringt. 
Die Bedeutung der zwischen den Arbeitsleistungen der einzelnen 
Tage liegenden Pausen ist kulturell und sanitär zu werten. Der biolo- 
gischen Forderung der Sonntagsruhe hat sich seit Altbabylonien 
kein Kulturvolk entzogen. Da die Sonntagsruhe wahrscheinlich 
nicht ausreicht, die im Laufe der Woche sich ansammelnde Er- 
müdung vollständig zu beseitigen, ist die Einführung des {freien 
Samstagnachmittags in die Industrie sehr zu begrüßen. Im Verlauf 
dieser längeren Ruhepause schwindet der Rest der Wochenermüdung 
durch vollkommenen Ersatz der verbrauchten Reservestoffe. 
Über die physiologische Notwendigkeit des Urlaubes, der eine 
völlige Ausspannung und restlose Beseitigung der Ermüdungsreste 
aus Muskeln und Nerven bedeutet, besteht ebenfalls kein Zweifel. 
Seine Dauer wird je nach Geschlecht, Alter und Betriebsart eine 
verschiedene sein, soll aber eine Woche nicht unterschreiten. Die 
Vorteile des Urlaubes dürfen allerdings nicht durch übertriebene 
Sportleistungen oder gar durch ‚„‚Schwarzarbeit‘‘ illusorisch ge- 
macht werden. 
1 Zentralblatt für Gewerbehygiene und Unfallverhütung, Jahrg. 1925, S. 60. 
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