Das Material
ZweiFarben beherrschten die sorgfältig abgestimmte, nicht eben um-
fangreiche Palette des Mittelalters: Das Blau und das Kot. Das prächtige
alte Blau, das wir an vielen gotischen Skulpturen oder Ornamentschnit-
zereien heute noch bewundern können, ist am ähnlichsten dem Himmel:
blau, oft gleicht es dem Blau der Kornblume oder auch dem Kobaltblau.
Reines Ultramarinblau kommt in der gotischen Faßmalerei nie vor,
immer hat das an mittelalterlichen Bildwerken erhaltene alte Blau einen
Stich ins Kalte, ins Grüne, während reiner Ultramarin viel wärmer ist.
Durch eine chemischeUntersuchung ist das am Hochaltar derSt.Georgs-
kirche zu Wismar verwendete Blau als blauer Grünspan erkannt wor:
den.') Diese Analyse entspricht ganz der praktischen Erfahrung, daßman
das Blau der gotischen Faßmaler am besten aus folgenden Farben nach-
mischt: Grünspan, dazu wenig Ultramarin oder Kobalt und Weiß.*) Aus
dieser oder einer ähnlichen Mischung dürfte aller Wahrscheinlichkeit
nach das gotischeBlau bestanden haben. Die überaus sparsame Verwen-
dung deskostbaren reinen Ultramarinblau?) geht aus vielen alten Auf-
schreibungen zur Genüge hervor. Albrecht Dürer schreibt in seinen
BriefenanJakobHellerinFrankfurta.M.,für den erden großen, leider ver-
branntenMarienaltarmalte,wiederholtvon dem hohen Preisder Farben,
besonders des Ultramarins. Er gibtden Preisfür ein Pfund Ultramarin mit
100 Gulden an und stellt fest, daß er für das Hellersche Altarbild allein
um 20 Dukaten Ultramarin vermalt habe.*) Das ist eine beträchtliche
Ausgabe,wenn man weiß, daß Dürer für den ganzen Flügelaltar schließ
lich ein Honorar von nur 200 Gulden löste.
Auch Valentin Boltz von Ruffach, der Baseler Dichter, Schriftsteller
und Pfarrer, spricht in seinem Illuminierbuch vom Jahre 1549 mit
großer Ehrfucht vom Ultramarin.°) Nicht geringer denkt darüber
!) Kuhn, die Bemalung der kirchlichen Möbel und Skulpturen, Düsseldorf 1901, Seite 59.
?) Bleiweiß dürfte, falls Spangrün in der Mischung verwendet wird, nicht gewählt werden, da diese beiden
Farben, wie schon Cenmnini, Kap. 56, schreibt, Todfeinde sind, Vgl. auch Doerner, Malmaterial und seine
Verwendung im Bilde, München 1921, Seite 63/64. Dort sind neben dem Grünspan auch Berggrün und
Bergblau als Farben der alten Meister aufgeführt.
3) Natürlicher Ultramarin wird aus dem Halbedelstein Lapis Lazuli hergestellt.
1) Zucker, Albrecht Dürer in seinen Briefen, Leipzig 1908, Seite 75: „Wisset, daß ich nimm die allerschönesten
Farben, so ich haben mag. Mir gebührt allein dazu für 20 Dukaten Ultermarin, ohne die ander Kostung.“
Seite 76: „Gedenkt oft Euers Schreiben Materien halben! Solt Ihr ı P ( Pfund?) Ultramarin kauft haben,
Ihr hättets mit 100 fl. kaum zeugt. Dann ich kann kein schöne Unz unter ı0 oder ı2 Dukaten kaufen.‘‘
5) Benziger, Iluminierbuch, Neuausgabe 1913, München, Seite 77: „Ultra maryn plo‘. Wird für das allerkost-
lichest geschetzt, doch in hochdütschen landen wenig und selten gsehen‘‘
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