Full text: Mitteldeutschland (Band 1)

Aschaffenburg — 20 — 
Schloßbauten der Renss, des 16. Jh. immer Um- oder Anbauten 
mittelalterlicher Anlagen gewesen, so wird hier mit Nachdruck 
zum erstenmal eine streng einheitliche, symmetrische Anlage 
gegeben (ältere Versuche in Augustusburg, Schmalkalden): 4 Flügel 
um einen quadratischen Hof von 84m äußerer, 51m innerer Seiten- 
länge, an den Ecken mäßig vorspringende quadr. Türme; die 
Symmetrie nur leicht durchbrochen von dem aus dem alten 
Schloß herübergenommenen Bergfried, jetzt mit dem NFlügel 
hofseits verwachsen. Die Flügel haben wenig Tiefe (kaum 10 m 
im Lichten) und in der inneren Teilung folgt Raum auf Raum 
ohne Korridorverbindung. Aufgänge durch. Wendeltreppen in 
den 4 Winkeln des Hofes. — Die allgemeine Idee, aus dem 
Wasserschloß entwickelt, hier wohl sicher durch französ, Vor- 
bilder mitbedingt (sehr groß die Ähnlichkeit mit Ancy-le-Franc; 
Ridinger kannte ihn aus dem Kupferstichwerk von Duterceau). 
An Befestigung ist nicht mehr gedacht. Daher die Außenseiten 
in voller Pracht als Schauseiten ausgebildet. (Der ältere Typus 
iegte den Nachdruck auf die Hoffassaden, Beispiel im Schloß zu 
Stuttgart.) Gliederung der 3 fast gleichwertig behandelten Ge- 
schosse durch sehr kräftige Gesimse, während vertikale Teilungs- 
linien fehlen. Der Fassadenlänge von 85 m (mit Einschluß der 
Türme) entspricht eine H. von 23 m (bis Oberkante Dachgesims) 
und Teilung in 15 Fensterachsen; dazu das mächtige Dach, 12 m EB. 
In der Mitte wird es durch einen reicher als alle übrigen Teile 
(ursp. jedoch einfacher beabsichtigten) Zwerchgiebel akzentuiert. 
Die Fensterverdachung mit gebrochenem Giebel entsprach der 
neuesten Mode, vgl. die Bauten Schickhardts in Stuttgart. Ein- 
ziger Zugang durch das mäßig große Rustikaportal der SSeite. 
Kine Zugbrücke führte hier über den Burggraben, einst vorn 
durch eine porta triumphalis geschmückt. (Der Balkon 
18. Jh.) Die Geschoßhöhe der Türme nimmt nach oben etwas ab, 
Teilung durch kräftige Gesimse, Krönung mit einem niedrigen 
Oktogon mit welscher Haube, Die östl. und nördl. Fassade etwas 
sparsamer detailliert. Wie die Lukarnen ursp. gedacht waren, 
zeigt ein Exemplar der WSeite. — In der Nähe erscheinen die 
Verhältnisse zu schwer, wie bei den meisten Bauten dieser Zeit; 
aus gehöriger Entfernung betrachtet zeigen sich Massen und Um- 
risse meisterhaft aufgebaut. Die erhöhte Lage über dem Main 
führte zur Anlage einer 20 m hohen Terrassenmauer, daran das 
mächtige Wappen des Bauherrn Erzbischof Joh. Schweickart von 
Mainz. Erwähnenswert, daß Ridinger vorher hauptsächlich an 
Festungsbauten beschäftigt war. — Die Hoffassaden wieder- 
holen das äußere System mit der Abweichung, daß das Erd- 
geschoß sich in Arkaden öffnete (unglücklicherweise später zu- 
gemauert). — Die innere Ausstattung, deren geschnitzte 
Türen, Mosaikböden, Stuckdecken, Wandgemälde (im Kaisersaal 
Historien von Georg Keller, einem Schüler Jost Ammanns ), ein 
Besucher des J. 1614 überschwänglich bewunderte, wurde durch 
Umbauten seit 1770 zerstört, Einigermaßen verschont nur die
	        
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