Full text: Nordostdeutschland (Band 2)

Lübeck — 290 — Marien-K. 
benschwanz gewölbt, mit Holzbalken verankert. Die unter 
den Schlußsteinen aufgehängten hölzernen Scheiben mit bür- 
gerl. Wappen wurden nach dem Brande von 1508 angebracht. 
Der Querschnitt zeigt eine außerordentlich kühne Konstruktion, 
bei der nach französischer Weise dem Strebewerk mit offenen 
Bögen der größte Teil der Leistung zugewiesen wird. Der 
Schlankheit des Querschnittes entspricht die Schlankheit des 
Arkaden- und Fenstersystems. — Maße: Breite der 3 Schiffe 
32,5 m, des Msch. in den Achsen 14,3 m; Höhe der Ssch. 20,7 m, 
des Msch. 38,3 m (Straßburg 31,5, Köln 44, Ulm 41 m). 
Anbauten. In den beiden westl. der 3 Chorjoche sind die 
Ssch. verdoppelt. Mit dem eigentlichen Plan der K. steht diese 
Anordnung in keinem organischen Zusammenhang, ist vielmehr 
nur eine Nachwirkung des dem älteren Bau eigenen Qsch. (ir 
Doberan und Wismar wiederholt). Diese Anbauten haben ein 
selbständiges Dach in Sattelform, von O0 nach W. — 1310. wurde 
die Annen- oder Brief-Kap. am 8 Ssch. zunächst dem 
Turme errichtet, in Verhältnissen und Zierformen ein besonders 
anmutiger Bauteil, Reck. von 8,30: 11,80, H. 12,2 m. Das Stern- 
gewölbe getragen von zwei 8,40 m hohen, nur 32 cm starken 
achteck. Säulen aus Bornholmer Granit; außerhalb des preußi- 
schen. Ordenslandes (vgl. Thorn, Lochstedt) in Deutschland das 
älteste Beispiel dieser Gewölbeart, 1834 erneuert. Das Maß- 
werk der Fenster ist gleichfalls neu, alt das aus Kunststein in 
vortrefflicher reiner Zeichnung hergestellte Blendenmaßwerk 
der NWand. — Die Kapellen der N- und SSeite 1328—85 infolge 
von Altarstiftungen hinzugebaut. . 
DieAußenansicht ist von imponierender Wucht der Massen 
bei völligem Verzicht auf Schmuck; sie gibt nichts, als was 
durch die innere Konstruktion und durch die Rücksicht auf 
Angriffe der Witterung bedingt ist. An den Fenstern sind die 
zum Tragen der Verglasung unentbehrlichen Glieder in der Weise 
vereinfacht, daß 2 Pfosten 3 dem Hauptbogen sich anschließende 
kleine Bögen tragen, der mittlere höher als die 2 seitlichen an- 
geordnet; es ist die von nun ab für die reife Backsteinarchitektur 
des Ostseegebietes typische Lösung. Die Portale, 7 an der Zahl, 
nehmen, wie immer bei den Backsteinkirchen, als Maßstab 
nicht das Gebäude im ganzen, sondern das unveränderliche 
Format der Formsteine, aus denen sich ihre Profile zusammen- 
setzen; an einem Gebäude von der Größe der Marien-K. wirken 
sie deshalb unscheinbar. Die WSeite der Turmhalle war ursp. 
offen, später vermauert, seit 1872 mit neugot. Sandsteinmaßwerk 
gefüllt. Feineren Schmuck trägt nur das Binnenportal der Brief- 
kap. — Im WBau hat der frgot. Turm in der Weise Wiederver- 
wendung gefunden, daß seine N- und SMatıer Innenmauern des 
neuen Turmpaares wurden, während die W- und OMauer als 
Mittelstück der Fassade und als WAbschluß des Mech. sicht- 
bar blieben; ein Kleebogenfries und außen 2 Fugen machen 
ihn kenntlich. Die neuen Türme haben (wie auch. alle späteren 
Ttıma Lübecks) das allgemeine Formgesetz der rom. Turm-
	        
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