Full text: Nordostdeutschland (Band 2)

313 — Marienburg 
_ WFlügel: eine Reihe kleiner Wohnräume für den Hauskom- 
jur und den Treßler, darüber Vorratspeicher. — An 3 Stellen 
führen enge Mauertreppen zu den unter Dach liegenden, über 
alle Umfassungsmauern verzweigten Wehrgängen. Die Dächer 
laufen so, daß diejenigen des N und SFlügels als Hauptdächer 
gelten und demgemäß mit Ziergiebeln schließen, alt die über dem 
Kapitelsaal. — Eine Unregelmäßigkeit tritt nur an der NOEcke 
ein durch den an die südl. Kapellenwand sich lehnenden hohen 
Schloß-Turm und den vorspringenden Kapellenchor; am Schluß 
kolossales, über 8 m hohes Relief, Maria mit Kind, mit Mosaik- 
überzug, gold, blau und rot, weithin in die Ebene hinausstrahlend 
(vgl. Mosaik in Marienwerder). Unter dem Chore die S. Annen- 
Kap.; in ihr waren 11 Hochmeister begraben, 3 Grabsteine er- 
halten; an den 2 Portalen Stuckplastik, jJüngstes Gericht, Marien- 
jeben, Kreuzfindung. Besonders zu beachten das in einer 
schräg einschneidenden, bis zum oberen Fries aufsteigenden 
Nische gelegene Schloßtor an der NWEcke; man könnte in 
ihrer Dekoration orientalische Erinnerungen vermuten (vgl. 
Balga). An der SWEcke, gegen die Nogat, führt auf hohen 
Bögen ein Gang über den Zwinger weg zum Herrendansk, Abort, 
unter dem der Mühlengraben floß, 
Mittelschloß. 3 Flügel von 75 m Länge, die 4. Seite offen 
gegen das Hochschloß, von diesem durch breiten Graben ge- 
schieden. Sachlich und künstlerisch am bedeutendsten die den 
Hochmeisterpalast, „Meisters Gemach“, bildende Nogatseite. Die 
Verteilung der, schon in Ordenszeit mehrfach umgebauten, 
Räume hatte komplizierten Bedürfnissen zu genügen, und so zeigt 
der Grundriß nicht die Einfachheit der sonstigen Ordensbauten. 
Am SEnde des Flügels springt ein kurzer Querflügel vor. Er 
enthält im Obergeschoß neben einander den Sommer- und den 
Winter-Remter; jeder ein quadr. Raum mit 16rippig ausstrahlen- 
dem Sterngwb. auf schlanker, granitener Mittelsäule; Fenster 
mit geradem Sturz in 2 Reihen; Schmuckformen fehlen fast ganz; 
der Eindruck ruht auf der eigentümlichen Raumproportion und 
der geschmeidigen Kraft der Strukturglieder. Im Winterremter 
Reste von Wandbildern, die Hochmeister Konrad und Ulrich 
v. Jungingen 1402 und 1407 vom Maler Peter. — Gegen den 
Hof kleinere Wohn- und Schlafgemächer, Hauskapelle, Ver- 
bindungsgänge, endlich der „große Remter“, der Festsaal, 
14:28 m, reich geteilte Sterngewölbe auf 3 schlanken Mittel- 
säulen; die dem System eigene Poesie erreicht hier ihren Höhe- 
punkt. — Der OFlügel enthält die „Gastkammern“, 2 lang- 
yestreckte Zsch. Säle, die nach Bedarf durch Holz- und Teppich- 
wände geteilt wurden. „Erdöfen‘“ für Luftheizung waren in 
mehreren Teilen des Schlosses vorhanden. — Die Außenarchi- 
tektur, besonders an der Wasserseite des - Hochmeisterpalastes 
vom E.14.Jh., erreicht, ganz selbständig erdacht, eine be- 
deutende künstlerische Wirkung, echt gotisch mit rein struk- 
tiven Mitteln, dem Wesen des Wehrbaues freilich nicht mehr 
entsprechend. Die reichen Werksteinteile. die Vorkragungen des
	        
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