Full text: Südwestdeutschland (Band 4)

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schlechtbesserung. — In der letzten Phase bekundet sich wohl ein 
Sinken des Stilgefühls, aber noch kein eigentlich grober Mißgriff. 
Fin solcher trat ein mit der Einschiebung des Zwischengeschosses. 
Was mit dieser unseligen Maßregel bezweckt war, ist weder prak- 
tisch noch ästhetisch zu verstehen. Auch für sich allein be- 
‘rachtet, bezeichnet dieser Bauteil einen Tiefstand des künstlerischen 
Vermögens; eine in der 2, H. des 14. Jh. fast überall durchgehende 
Erscheinung, — Bald darauf erwachte die Kritik. Die Bürger- 
schaft, begierig, die Ehre des Münsters zu retten, beschloß die Er- 
richtung eines sehr hohen, über die älteren Absichten weit hinaus- 
gehenden Turms, Daß man damit auf den Ausbau des zweiten 
(südl.) T. prinzipiell verzichtete, kann nicht bewiesen werden, ist 
aber wahrscheinlich. Der aus Ulm berufene Meister U/rich En- 
sönger stand vor einem Dilemma: einerseits war die Geschoßent- 
wicklung der Türme schon auf dem Punkte angelangt, daß ihnen 
nichts mehr hinzugefügt werden durfte, als die Helme; anderer- 
seits war dieses durch den Zwischenbau ästhetisch eine Unmög- 
lichkeit geworden. Die Lösung, die Ulrich wählte, ist ein Ge- 
waltakt. Mit der Balustrade der großen Plattform machte er 
gleichsam einen Strich durch die bisherige Rechnung und setzte 
seinen T. als ein neues Gebäude hin, ohne Verpflichtung auf Fort- 
antwicklung der begonnenen Motive. Es ist ein aus 8 Pfil. zu- 
sammengesetztes hohes Oktogon, an den Diagonalseiten begleitet 
von 4 vom Hauptkörper völlig abgelösten Treppentürmen, außen 
Zeckig, innen 6eckig, ein jeder in den Einzelheiten des Gr, von 
den andern verschieden. Die über den Fensteröffnungen sitzenden 
Rippenanfänger “bekunden, daß ursp. hier der Helm beginnen 
sollte. Es war UZrich selbst, der sein Oktogon noch nicht hoch 
genug fand und ihm noch 7 m zulegte. Der Tod überraschte ihn 
vor Beginn des Helmes. Derselbe sollte (Riß erhalten) im ganzen 
dem Freiburger ähnlich werden, doch mit konkaver Einziehung 
des Konturs und in der Mitte umkränzt von einer Aussichts- 
galerie. Sein Nachfolger H%//z überbot ihn durch eine ganz 
originelle Idee. Er machte den Helm bis zur Spitze ersteigbar, 
indem er eine jede der 8 in der Spitze zusammentreffenden Rippen 
mit einer Folge von je 6 kleinen Treppentürmchen besetzte, der 
eine in den anderen überleitend. Es können also 8 Gruppen von 
Besuchern sich gleichzeitig in die Höhe winden, Merkwürdiger- 
weise hat man, nachdem so viel schon an den T. gewandt war, 
ihn doch nicht ganz vollendet. Denn zweifellos hätte jedes 
Türmchen noch eine durchbrochene Spitze erhalten sollen, wie 
auch die Treppentürme des Oktogons. Der jetzige eigentümlich 
sägeartige Kontur war nicht die gewollte Linie. Den höchsten 
Punkt krönte ein Marienbild. Der T. war mit 142 m H. der
	        
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