Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Zweites Buch: IV. 
Becher, silberne Schalen und Kannen 9) zu bestellen und zu wäh— 
len, zu kaufen und zu ordnen dünkte sie ein schöner Zeitvertreib. 
Der weinerliche Mahner, welcher daran zweifelte, gab nur Ge— 
legenheit zum Lachen!0). Und lachend ging's dann zu den Ge— 
sagen, um unter den Klängen der Tafelmusik, den sinneverwir— 
renden Liedern der Sänger und Tänzerinnen die auserlesenen 
Berichte zu richten. Diese Geschmackskritik war ihrer Natur nach 
vernichtend. Denn der Gefräßigste war der Gepriesenste, der 
Feinschmeckendste der Beste; der am peinlichsten Wählende galt 
als der Klügste. — Dabei von himmlischen Dingen zu reden, wäre 
zegen den Anstand gewesen. Das Gespräch, welches diese Fest— 
genossen erheiterte, handelte von Menschen, nicht von Gott, vom 
Beschöpfe, nicht vom Schöpfer, von den irdischen Fürsten, nicht 
vom himmlischen Herrn 11). — Niemand wollte ein Prophet, Nie⸗ 
mand ein Apostel, Niemand ein geistlicher Wegweiser sein und 
heißen. Fort mit den Kanones, den weisen Sprüchen der Vä— 
ter 12), den Decretalen der Päpste! — Was soll man sich quälen 
mit den Legenden 18) von den Blutzeugen der Kirche? — Hat man 
den Rausch in weichen Betten ausgeschlafen15), dann ergötze man 
sich lieber an der Geschichte des alten Roms10) oder greife zum Ci— 
rero16)1! — An dem Hofe des Königss17) scheint man indessen 
diesem Rathe nicht unbedingt gefolgt zu sein: da erheiterte man 
ich lieber an den Leistungen der theatralischen Kunst oder ver— 
tauschte die Rolle der Zuschauers mit der des Darstellers; ein 
toller Bachuszug, in welchem zumeist die Frauen des Harems 
zJlänzten, pflegte, wie man vermuthen darf, die Scenerie zu sein, 
velche die Orgien des Venus-Dienstes einleitete. Man spielte 
Komödie mit dem Heidenthum und travestirte zugleich das Chri— 
stenthum. Christinnen traten als Göttinnen auf: Pezola gab die 
Venus, Rosa die Juno, Stephanie die Semele18). Und grade 
der Anstoß, welchen das erregte, ergötzte den Fürsten, welcher im 
Bewußtsein, daß es sich um gleich wichtige Dinge handele, Bis— 
thümer und Stellen in dem Harem je nach der Laune besetzte. —
	        
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