Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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welchen die meisten empfingen, war anziehend und abstoßend zu— 
gleich, in der Mischung von beiden ein unheimlicher«). Dieser 
geniale Sonderling war freilich nicht jener Zauberer, von welchem 
eine spätere Zeit fabeltes), aber ein wissenschaftlicher Eroberer, ein 
Aufklärer ersten Ranges allerdings. 
Darum zählte er nicht zu jenen Halbwissern, welche nichts 
Angelegentlicheres thun zu können meinen, als die ferigen und 
doch unreifen Erkenntnißsätze der Masse aufzudringen. Eine aristo— 
kratische Natur, wie er war, wollte Gerbert durch die Wissenschaft 
selbst dieser eine Gemeinde bilden. Die Methode wurde die Weihe 
der Jüngerschaft. Also war es nicht ein Vielerlei von Lehren, was 
er mittheilte. Ein Totalorganismus des Wissens ward nach und 
nach enthüllt, ein System natürlicher Weltanschauung vor den 
Augen der entzückten Schüler aufgebaut, rationell und empirisch, 
kritisch und dialektisch. Die Gesetze der Natur und der Sprache, 
die Regeln des vernünftigen Denkens zu begreifen, dazu wollte 
er anleiten, — nicht durchweg in eiteler Originalitätssucht erneu— 
ernd, vielmehr entschlossen zunächst mit den schon in dem classi— 
schen Alterthum bereiteten Mitteln zu wuchern. — An seinen 
großen Namen knüpft sich die Grinnerung an eine neue Epoche 
der Bildung, die Episode der Renaissances) in dem Wendepunkte 
zweier Jahrhunderte. Unermüdlich war er beschäftigt Hand— 
schriften?) der alten Autoren zu sammelns), Briefe über Briefe 
zu schreiben, um für den höchsten Preis ein Exemplar des Cäsar 
oder des Sueton oder des Manilius oder des Victorinus oder 
des Cicero zu gewinnen ). Was hätte er sehnlicher gewünscht 
als ungestört in ungeschmälerter Muße den Werth dieser und 
anderer wissenschaftlicher Schätze würdigen zu können? — Aber 
der große Forscher war zugleich der mittheilsame Pädagog. Die 
Schule zu Rheims ward durch ihn die fruchtbare Anstalt, welche 
den verhältnißmäßigen Antheil an der Meisterschaft erblich machen 
sollte durch Kenntniß der Methode 10). Da lernten die Zuhörer 
in der geeigneten Stufenfolge des Unterrichts 11) allmählich die 
Zweites Buch: V.
	        
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