Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

Zweites Buch: V. 
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Größe beurtheilt, entweder durch die Kritik der Wissenschaft ge— 
richtet oder aufgelöst werden müssen in Sätze des natürlichen 
Erkennens. Sofern die Theologie derselben zugehören soll, scheint 
sie ausschließlich dieses letztere (das natürliche Erkennen) als die 
ihrer Würde entsprechende Function betrachten zu dürfen, der 
Glaube ausgeschlossen zu sein aus dem gesammten wissenschaft⸗ 
lichen Bereiche. 
Gewiß; aber um so sicherer tritt er neben demselben, gleich— 
vohl in der Theologie auf. Das Dogma oder der Glaubenssatz 
vird von Gerbert über den Begriff der menschlichen Wissenschaft 
erhoben, als Mysterium gefeiert!7). Die Autorität18) ist seine 
Heimath. Die ächte Abendmahlslehre kennzeichnet sich selbst durch 
die Ueberschwänglichkeit. „Wo die Worte fehlen, schwelgt der 
Glaube“, ist das Motto, welches der Verfasser in jenem Buche 
»on dem Leibe und dem Blute des Herrn bewahrheitet hat, wel— 
hes nach den Fundamenten der Gerbert'schen allgemeinen Wis— 
senschaftslehre ein wissenschaftliches nicht wäre. Nun muß 
freilich zugestanden werden, daß das dort nicht nur mit keinem 
Worte angedeutet wird, die zur Construction des Dogmas ohne 
Bedenken gebrauchten logischen Formeln 19) vielmehr den Anspruch 
auf das Gegentheil begründen. Diese Abhandlung kann man 
bereits eine Präformation der späteren conservativen Scholastik 
nennen. Dennoch bleibt es eine bedeutungsvolle Thatsache, daß 
die Tendenz unverkennbar die ist, die Selbstgenügsamkeit des 
Wissens zur Geltung zu bringen. Die Frage nach dem Verhält— 
niß desselben zum Glauben wird in dem großartigen Entwurfe 
des Systems nicht vorgesehen. Dieses kommt zu Stande, ohne 
daß von der beregten supranaturalen Größe die Rede ist. Und 
wenn der Gründer dasselbe praktisch erläuterte, sei es daß er 
den Schülern den gestirnten Himmel?0) zeigte, sie über den ge— 
regelten Lauf der Weltkörper belehrte, sei es die Gesetze des ver— 
aünftigen Menschengeistes erwies; sei es, daß man ihn beob— 
achtete, wenn er über seiner Himmelssphäre?1) grübelte oder 
Reuter, Geschichte der Aufklärung im Mittelalter. Bd. J. 6
	        
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