Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Zweites Buch: V. 
Berechnungen anstellte: dann war es lediglich die Macht des 
Wissens, welche sich fühlbar machte. Und eines so ganz anderen, 
als man bisher kennen zu lernen Gelegenheit hatte. — Der ganze 
Apparat, der hier zur Anwendung kam, die Art des Gebrauchs 
desselben, das Voraussetzungslose und Universalistische des For— 
schens zog von selbst von allem kirchlich Positiven ab. Dieses 
Belauschen der Geheimnisse des Naturlebens führte zu einem Ent—⸗ 
hüllen, welches mit dem, was die Offenbarung also nannte, wenig 
zemein hatte. Die natürliche Weltbetrachtung schien durch die 
übernatürliche nicht ergänzt, vielmehr diese durch jene überflüssig 
zu werden. — Dessenungeachtet ist von Gerbert die Berechtigung 
einer supranaturalistischen Theologie als selbstverständlich voraus— 
gesetzt; ohne Darlegung der Prämisse die Folgerung gezogen. Die 
Apologie des Transsubstantiations-Dogmas anerkennt ein ganz 
anderes theologisches Wissen als dasjenige war, welches die Prin— 
ripienlehre seines Systems begründet hatte. Zwei theologische 
Lehrarten, zwei Theologien scheinen sich zu ergeben, die natürliche 
ind die positive, oder vielmehr die Antinomien zwischen Wissenschaft 
und Glauben?2) unausweichlich zu sein. Wir lesen allerdings 
hei ihm von dergleichen nichts, also auch nichts von Versuchen 
einer theoretischen Auflösung; aber auch nach Zeugnissen von einer 
oractischen Versöhnung des Uebernatürlichen und Natürlichen in 
dem Leben sucht man vergebens. 
Und wie rührig hat er doch gerade darin sich bewegt! — 
Wer konnte über einseitigen Intellectualismus klagen, welcher 
Gelegenheit hatte sein ungewöhnliches Verständniß der socialen 
Verhältnisse, die rege Theilnahme für dieselben kennen zu lernen? 
— Dieser Idealist des Wissens war wahrlich ein gleicher Virtuos 
in der realistischen Politik. Er wollte diese Welt nicht nur be— 
zreifen, sondern auch in ihr und mit ihr leben. Aber die Art, 
wie dies geschah, ließ irgend welche religiöse Motive nicht erkennen. 
Er anerkannte wohl die Transcendenzen des Volksglaubens und 
vertheidigte gelegentlich das Dogma der Kirche; wenn er aber
	        
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