Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Zweites Buch: VIII. 
tiges Moment für Berengar's weitere Entwickelung werden konnte. 
Allein um das richtig zu würdigen, wird man sich vor Ueber— 
schätzung zu hüten haben. Keineswegs ist er an der Wandelungs— 
lehre vornehmlich deshalb irre geworden, weil er das Fundament 
der kirchlichen Autorität vermißte. Er hat sie geläugnet — wir 
viederholen das — in erster Linie um ihrer Irrationalität wil— 
len vor aller historischen Untersuchung. Gleichwohl hat aber 
diese nach meinem Dafürhalten zu dem sich vollendenden Um— 
schwunge der theologischen Gesammterkenntniß mitgewirkt. Er 
war an die Arbeit, wie wir vermuthen, in der Zuversicht gegan— 
gen, daß das Recht des Protestes gegen die Unvernunft an der 
Vernünftigkeit der Geschichte der Vergangenheit sich bewähren 
würde. Er mag, als er den Stand der Abendmahlslehre in der 
älteren Zeit zu erforschen zu dem Ende vornehmlich Augustin, 
Ambrosius, Hieronymus zu lesen 18) begann, kaum etwas Ande— 
res daselbst zu finden erwartet haben, als er demnächst wirklich 
fand. Allein das Letztere hatte doch für ihn die Bedeutung einer 
neuen Enthüllung, und zwar nicht blos sofern seine historische 
Kenntniß erweitert und tiefer begründet wurde. Grade das dog— 
natische Princip der herkömmlichen Theologie ward ihm zugleich 
erschüttert. Der Begriff von der kirchlichen Autorität, dem Be— 
stande der Tradition, dem Wesen der Kirche mußte ein anderer 
werden, und ist ein anderer geworden unter dem nachwirkenden 
Eindrucke der Entdeckungen, welche er gemacht hatte, wie der Er— 
forschung des Augustinischen Systems 18). Dazu kam die Schule 
des Lebens mit ihren eigenartigen Unterweisungen: nichts hat 
seine Ueberzeugung mehr geklärt!s) als eben sie. Die Verdächti⸗ 
gungen der Kirchenmänner innerhalb und außerhalb Frankreichs, 
die rohen Attentate auf seinen Charakter, die Art der Polemik 
gegen ihn, die wiederholten Inquisitionen in Rom'6), die Mar— 
ter der Gewissensqualen, welche grade die Herrschenden ihm be— 
ceiteten, die Erfahrungen von der nackten Gewalt27), die jeden 
Antrag auf Toleranz vereitelte!ns), die eigene Anschauung von
	        
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