Zweites Buch: XVII. 131
die Ungläubigen verwendet werden: die hier in Betracht kommen⸗
den Schriften Anselm's entwickeln durchweg rationelle Gedanken.
Man mag, um das zu erklären, daran erinnern, daß diejenigen,
für welche dieselben bestimmt waren, über die kecken Angriffe des
Unglaubens 14), wie über das eigene Unvermögen zu deren Ab—
wehr klagten. Indessen scheint nicht blos ihre Wissenschaft, son—
dern auch ihr Glaube der Stärkung bedürftig gewesen zu sein.
Die Aufklärung der Zeit war für sie nicht blos eine feindliche,
sondern auch eine versucherische Macht: in den eigenen Herzen
stiegen Gedanken auf 18), welche den Einwendungen der Ungläu⸗
bigen nur zu ähnlich waren. Darum ließ man es sich nur zu
gern gefallen, daß der große dialektische Meister, dem man der—
zleichen Bekenntnisse ablegte, die Anleitungen zur Apologetik so
einrichtete, daß sie in erster Linie die Zweifel „der Gläubigen“
lösten. Ja Bücher dieser Art wurden in überaus zudringlichen Pe—
titionen bei ihm bestellt 16). Begreiflich verlautete bei diesen Gele⸗
genheiten nichts, was als ein Antasten des Kirchenglaubens ge—
deutet werden konnte; es fehlte schwerlich an positiven Bezeugungen
der Ehrfurcht, des treuen Gehorsams gegen die Autoritäten.
Indessen noch weit unzweideutiger war das Begehren, die
künftigen Leser dieses Mal mit Berufungen auf dergleichen zu
verschonen. Reine Vernunftbeweisen7) sollten gegeben werden,
ebenso verständlich für Ungläubige wie für Gläubige. Mochten
die Bittsteller immerhin zu den letztern gerechnet werden; die Ge—
wißheit, welche diesen eigen sein soll, hatten sie nicht. Grade
dem, was nach Anselm's Lehre zuhöchst dieselbe bringen sollus),
der Autorität wollten sie entfliehen. Um so weniger werden sie,
durch ihn mit den Argumenten des Wissens bekannt geworden,
Neigung gehabt haben zu derselben zurückzukehren. Mochte er
noch so oft erinnern, dergleichen seien nur Wahrscheinlichkeits—
rechnungen, nicht ausreichend!ꝰ), den Defect des Glaubens zu er—
setzen, jene Leser oder Hörer sind schwerlich alle davon überzeugt
worden. Die einen, durch seine rationellen Erörterungen befrie—