Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

J. 
Peter Abälard fand ein Doppeltes vor in der Kirche seiner 
Zeit. Das Eine war die Voraussetzung in Bezug auf den 
einzigen Werth des überlieferten, göttlich autorisirten Dogmas, 
die Ueberzeugung von dem ausschließlichen Besitz der religiösen, 
durch eine wunderbare Offenbarung enthüllten Wahrheit; das 
Andere die Unsicherheit in der Art der Begründung. Oder viel⸗ 
mehr es gab augenscheinlich der Thatsachen nicht wenige, welche 
jenen Anspruch zweifelhaft machen konnten. — Die Christenheit 
hatte im vierten Jahrhundert den unbedingten Sieg über den 
Irrthum des Heidenthums gefeiert, zu feiern gemeint; gleichwohl 
war vo ihren Apologeten unmittelbar oder mittelbar die partielle 
Wahrheit des letzteren zugestanden). Man hatte damals (vor 
allem in dem Oriente) die gleichzeitig mit der Entstehung der 
altkatholischen Kirche fixirte Gesammtansicht von dem Wesen des 
Christenthums ohne kritische Revision bestätigt?) und wiederholt, 
also die Erkenntniß der religiösen Originalität desselben sich er— 
schwert, aber um so stolzer den göttlichen Ursprung, die Macht 
der Autorität verkündigt. Und je fester die Stellung der Hierarchie 
im Mittelalter geworden war, um so vertrauensseliger ward die 
Stimmung. Man haͤtte die Scholastik in ihren Mühen um den 
Beweis für das Dogma gewähren lassen; aber um das Gelingen 
desselben kümmerte sich die Kirche als solche nicht. Sie sah sich 
in dem thatsächlichen Besitz der religibsen Herrschaft und wurde
	        
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