Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

Zweites Buch: II. 
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Geschichte reden. Es verliefen wohl auf diesem Boden einzelne 
Geschichten; aber die Nation, welche denselben bewohnte, ward 
meist darin nur verbraucht. An Stelle einer Entwickelung erlebte die— 
selbe vielmehr ein Vielerlei von geschichtlichen Scenen ohne Ein— 
heit der Handlung, trotz alles Wechsels doch monoton. Die sich 
fortsetzenden Heerfahrten und Kämpfe der auswärtigen Präten— 
denten, die Raubzüge der Ungarn und Saracenen, die Parteiumgen 
des italienischen an Intrigue unerschöpflichen, an Vaterlands— 
liebe armen Adels, das häufige Durcheinanderwogen der Deutschen, 
Franzosen, Burgunder, Longobarden, Araber schienen die herr— 
liche Halbinsel in ein Chaos verwandeln zu sollen. Hier sah 
man die Schlachtfelder, wo erbitterte Heerhaufen mit einander 
gerungen hatten, dort lauerte in geheimen Schlupfwinkeln die po— 
litische oder kirchliche Conspiration. Nur Eins schien das Stabile 
sein zu sollen: die Sünde als die Großmacht der Zeit, unver— 
schleiert und unersättlich in dem Genusse der Huldigungen, im 
Bunde mit einer Barbarei, welche schlimmer war als die des 
siebenten Jahrhunderts. Denn die dermalige war motivirt durch 
ein Herabsinken von einer schon erklommenen Höhe. Man konnte 
zlauben, in diesem Falle von einem jähen Bruche mit der Ver— 
zgangenheit reden zu können. Die Sterne der Cultur schienen 
alle auch in diesem Heimathslande erloschen zu sein. Ohne Frage 
war in Rom!) die Finsterniß am dichtesten. Nicht genug, daß 
man von dem verhältnißmäßig günstigen Bildungszustande im 
Anfange des vorigen Jahrhunderts wie von dem goldenen Zeit— 
alter der Vorwelt redete?), die Verläugnung des Humanismus, 
das dreiste Bekenntniß der Unwissenheit?) in diesen Dingen ward 
gradezu als das Privilegium des römischen Clerus gerühmt. — 
Eine entsetzliche Verwilderung des Gedankenlebens, eine dumpfe 
Indolenz gegen Wissenschaft und Kunst ist dasjenige in der Signa— 
tur der Zeit, was zu nächst in die Augen fällt. 
Daneben freilich ein Anderes. Auf den durch blutige Fehden 
heilweise verödeten Fluren Italiens stand immer noch ein Kirchen—
	        
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