Full text: Natur und Gott

140 Wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte. 
im Unräumlichen und Unzeitlichen. Die höchste Idee ist Idee der Ideen, 
Idee der Idealität, mithin Ursache der Ursachen, Urwesen und damit 
Prinzip der Gottheit. Nur das Gute ist voraussetzungslos, schlechthin 
unbedingt, jenseits des Seins und eins mit der göttlichen Vernunft!). 
Die Vergöttlichung des Einen (zu der nach dem Berich?e des Aristoteles 
Platon fortgeschritten ist), ist für die Fortwirkung des Platonismus ent⸗ 
scheidend gewesen; sie zeigt sich ebenso in der Abkademie wie bei den 
Neupythagoräern und Neuplatonikern. Plotins „Eines“ liegt ebenfalls 
jenseits des Seins, d. h. des Vielheitsreichs der Ideen; es liegt aller— 
dings auch, anders als für Platon, jennseits des Nus-a), d. h. jenseits der 
Objekt⸗Subjekt⸗Gespaltenheit, als das Unbestimmte, Unendliche, Uber— 
schwengliche. Platons Auffassung dagegen ist zwar ebenso antisensuali— 
stisch, aber nicht irrational. Das Urbildliche ist vom Nus ganz durch— 
dringbar, von völliger Durchsichtigkeit und enthüllt sich in seiner Kein— 
heit der philosophischen Betrachtung. Neben dem logischeethischen Got—⸗ 
tesgedanken stellt die platonische Lehre auch eine dem Christentum weit⸗ 
hin kongeniale Auffassung vom Menschen hers). Die Seele ist älter als 
das dem Körper Angehörige, der Körper lediglich ihr Produkt und 
Abbild. Ihre Unsterblichkeit folgt daraus, daß alles Philosophieren, ihre 
höchste Tätigkeit, Ablösung der Seele vom Leibe ist; die Seele erreicht 
also ihre wahre Bestimmung erst nach der Trennung vom Körper. Auch 
aus der Erinnerung, dem Innewerden jenes urbildlichen Maßstabes, 
dessen wir bei jedem Urteil als unsres ursprünglichen Besitzes innewer⸗ 
den, folgt ihre Verwandtschaft mit dem überzeitlichen Keiche der Ideen. 
Plotin hat diesen Gedankengang zu Ende geführt, indem er auf die Un— 
erklärbarkeit des Erkennens aus körperlichen Clementen und auf die 
Poraussetzung einer mit sich selbst identischen, unteilbaren Einheit auf— 
merksam macht, ohne welche es kein Vergleichen und Unterscheiden von 
Eindrücken geben kann. Aus solchen Erwägungen folgert er, daß die 
Seele als immaterielles Wesen existierte). 
Ubertragen wir das Verhältnis von Körper und Seele auf das 
All⸗CLeben, so ergibt sich die Weltseele, aus deren vernünftigem Denken 
die Umdrehung der Gestirne fließt; sie ist für Platon eine Mischung von 
Geteiltem und Ungeteiltem, was der letzten, göttlichen ECinheit gegenüber 
auch von den Ideen gilt. Als intelligible Vielheit haben sie Teil an einem 
depravierenden Prinzip, als welches ein intelligibler Raum angenommen 
wird. Es gibt mithin drei gegeneinander abgestufte Realitätssphären. 
Die intelligible Welt der Ideen, die zunächst aus Gott, dem Einen, Guten, 
4) Rep. 504 ff. Phileb. 10, Tim. 37 f. 43) Nus etwa — Vernunft. 
s) Cask, a. a. O. 37f. 6) Enn. IV 1,7. 
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