Full text: Natur und Gott

166 Wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte. 
inhalt des kirchlichen Bewußtseins und der göttlichen Zeugnisse, auf de— 
nen es beruhte. Durch den herrn selbst beglaubigt, galt Moses den schon 
Philo als den Propheten der Propheten in die wissenschaftliche Welt ein⸗ 
geführt hat!e, als der authentische Interpret der göttlichen Schöpfung, 
und das erste Blatt der Bibel als Inbegriff aller Offenbarung über die 
Natur. Augustin gab nur der gemeinsamen Überzeugung der Christen- 
heit jener Tage kraftvollen Ausdruck, wenn er das Wort prägte: Die 
lutorität der Schrift ist größer als alle Fassungskraft des menschlichen 
Geistess). Welche Konsequenzen dies Wort einschloß, war ihm selbst 
noch nicht voll bewußt. Denn die spiriualistische Auslegung der Schrift, 
der die alte Kirche in Philo's Nachfolge anhing, gewährte ein hohes 
Maß von Freiheit gegenüber dem Buchstaben. So konnte Augustin schrei— 
ben: „Daß Gott mit körperlichen händen den Menschen aus dem Lehm 
der Erde gebildet haben soll, ist doch ein gar zu kindlicher Gedanke.“ 
„Wie Gott den Menschen nicht mit körperlichen Händen gebildet hat, so 
hat er ihn auch nicht mit seiner Kehle und den Cippen angehaucht.“ 
Weil der vordere Teil des Gehirns, woraus alle Sinne entspringen, an 
der Stirn gelegen ist, deshalb heißt es, daß Gott dem Menschen in das 
Engesicht gehaucht habe?s). Dieser Art der Auslegung entspricht die ge— 
legentlich in der Kirche hervortretende Erkenntnis, daß Moses nicht wie 
ein Geschichtsschreiber, sondern wie ein Prophet „in rückwärts schau— 
ender Weissagung“ die Schöpfung geschildert habe's). Aber sichere Ab⸗ 
grenzungen sind nirgends gegeben. Sobald es gelang, gegenüber der 
uferlosen Willkür der Allegorie die Crmittlung des Wortsinns zur ent⸗ 
scheidenden Aufgabe zu machen, mußte dieser als inspirierte Wahrheit 
gelten, er mochte nun an sich religiös wertvoll oder gleichgültig sein; fer— 
ner mußte die göttliche Wahrheit, ob sie nun dem Buchstaben oder der 
Allegorie entsprang, mit den sonst geltenden Wahrheiten zu einem Gan⸗ 
zen vereinigt werden. Platon und Aristoteles, „der erste der Physiker“, wie 
ihn Johannes Philoponos nennt'e), boten, ob auch tief unter Moses ge⸗ 
stellt, die Mit“el zu seinem tieferen Verständnis. Aus Allegorie, d. h. 
christlich gefärbten philosophischen Prinzipien, tieferem Eindringen in 
78) De Goenesi ad litt. II 5. (letzter Satz). 
70) De Genesi ad litt. VI 20, VII 12. 23. Auch die Erschaffung des Weibes ist 
nicht selten (noch von Cajetan) mustisch, nicht buchstäblich verstanden worden. 
Uberhaupt darf nicht vergessen werden, daß für Origenes und Augustin (wie 
für ihre ganze Epoche) die Anerkennung des Alten Testaments erst durch die 
finwendung der allegorischen Methode ermöglicht wurde. 
785) Basilius in der 2. Homilie seiner längeren Genesis-Auslegung; Seve— 
rian in seinem hexaemeron-Kommentar; ugl. Zöckler 1179. 182. 
⁊6) Commentariorum in Mosaicam mundi creationem libri septem II 13. 
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