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Zur Einführung.
das Unbegreifliche kann sie nicht leben. Macht aus der Naturwissen⸗
schaft eine Mustik und ihr macht sie unbrauchbar, denn eine Technik
kann sie nur begründen auf klare Erkenntnis der Dinge und ihrer Be⸗
dingungen.
Aber auch ein bloßes Nebeneinander von Religion und Naturer⸗
kenntnis (wie man Kant mißverstanden hat) bietet noch keine brauch⸗
bare Anweisung für das Leben. Denn der Mensch ist nur einer; aus
der gesammelten Kraft seines Innern soll er sein Leben führen. Alle
Funktionen zumal. seines geistigen Cebens, mag es sich nun um eine
wirksame Erkenntnis oder einen wirksamen Glauben handeln, müssen
letztlich in dieser Einheit wurzeln und auf sie zurückwirken, also min⸗
destens mittelbar miteinander in Wechselwirkung stehen. Ja, ginge die
Naturwissenschaft darin auf, Anweisungen für die Naturbeherrschung
zu liefern und die Theologie in religiösen Techniken für die Kegelung
des menschlichen Innenlebens, so möchte es vielleicht noch angehn. Nun
aber beansprucht seit alten Zeiten die Religion, je mehr sie sich in ihrer
Eigenart entwickelt hat, den ganzen Menschen für sich. Aber auch die
Naturwissenschaften bedeuten etwas ganz anderes als eine Reihe von
Entdeckungen und darauf gegründeten Techniken. Was Ropernikus und
Kepler, Galilei und Newton geleistet hatten, das war nicht nur eine
Umwälzung in der Auffassung von der Erde, es war eine Umwãlzung
der Denkart, ein Erwachen des Geistes zur Souveränität der eigenen
Wahrheitserkenntnisd). Heute vollends wird man aus keinem Gebiete
geistigen Lebens die Wirkungen naturwissenschaftlicher Methode und Er⸗
kenntnis mehr fortdenken können. Ein bloßes Nebeneinander, eine doppelte
Buchführung ist unter diesen Umständen undurchführbar, muß notwen⸗
dig zum Widereinander führen. Daß aber der Rampf, so unerläßlich er
wird, wo Grenzstreitigkeiten vorhanden sind, dann, wenn er das letzte
Wort sein sollte, für den Gesamtzustand der geistigen Rultur unerträg⸗
lich werden muß, ergibt sich eben daraus, daß beide, Naturwissenschaft
und Religion, integrierende und notwendige Glieder unserer Rultur sind,
deren keines ohne einen lebensgefährlichen Eingriff entfernt werden
könnte. Es bleibt darum nur übrig, die vorhandenen Schwierigkeiten un⸗
parteiisch zu untersuchen und wo möglich zu beseitigen.
In dem Wesen der Theologie können die Schwierigkeiten ebenso—
wenig begründet sein, wie in der Naturwissenschaft als solcher. Denn
in beiden Fällen handelt es sich um wissenschaftliche Erkenntnis, die
) Uber Galileis wissenschaftliches Selbstbewußtsein gegenüber den kirch⸗
lichen Instanzen vgl. meine kurze Zusammenfassung in RE.s 240, 207 31. 26 ff.
210 31. 20ff. Weiteres unten bei Darstellung der Anfänge der neuen wissenschaft.