174 Wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte.
Frage nach der Herrschaft der Sterne über das Schicksal der Menschen
stellen und namentlich der Konstellation der Planeten zur Zeit der Ge—
burt eines Menschen (der sog. Nativität) Einwirkung auf sein Seelen—
leben, wie auch auf sein gesamtes Ergehen zuschreiben. Schon Origenes
eiferte wider die heidnische Astrologie mit ihrem Fatalismus, der alle
Freiheit und Sittlichkeit untergrabe; es sind ihm darin alle Späteren
nachgefolgt. Aber zugleich erkannte er eine weissagende Bedeutung der
planetarischen Konstellationen und ihres Zusammenhanges mit den Tier—⸗
kreisbildern an, deren Zeichen allerdings nur für höhere Geister, nicht
für uns Menschen leserlich seien, aber von bösen Geistern den gottlosen
AAstrologen gedeutet werden könnten. Damit war allerdings, sobald man
die menschliche Erkenntniskraft höher einschätzte, die Aufgabe einer astro—
logischen Wissenschaft gestellt; doch hat erst gegen Ende des Mittelalters
der Kardinal d' Ailly die Konkordanz der „astronomischen Wahrheit“ mit
der Theologie zu erweisen und die astrologischen Zeugnisse den prophe—
tisch geweissagten Ereignissen der Heilsgeschichte anzupassen versucht.
Aber in der alten Kirche fehlt es an solchen Bündnisversuchen mit der
wissenschaftlich auftretenden Astrologie noch ganz. Nur der populäre
Glaube an die Bedeutung von Verfinsterungen der Sonne und des
Mondes:os) oder Beziehungen des Mondes wie zu Witterungswechsel,
Nachtfrösten, Wirbelwinden, so auch zu menschlichen Temperamenten,
Affekten und Erkrankungen u. dgl.io) oder die Deutung der Kometen als
Anzeichen von Umwälzungen, Krieg, Pest oder Dürreres), d. h. längst
zum Arsenal des Volksglaubens gehörige Ansichten treten uns entgegen.
4. Die Stellung des Menschen im Weltganzen.
Die antikechristliche Naturanschauung, die wir zu zeichnen bemüht
waren, bleibt notwendig unvollkommen, so lange wir nicht den
Menschen selbst in diese Natur hineinstellen und ihr Verhältnis zuein—
ander betrachten. Auf die verwickelten Probleme der Anthropologie gehen
wir dabei nur insoweit ein, als es die naturphilosophische Orientierung
erfordert. Wie im Kosmos überhaupt, so wurde auch im Menschen ein—
hellig eine zweifache Grundform des Lebens unterschieden, die leib⸗
liche und die geistige; strittig aber war die Beschaffenheit und das Ver—
hältnis der beiden Teile. Nach allgemeiner griechischer Auffassung liegt
das wahre Wesen des Menschen in seiner denkenden Natur; der Neu—
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108) Vgl. Tert. ad Scapulam III (mꝗune 1 701).
10oq) Basilius 6. homilie des hexaemeron. ühnliches bei Plinius; vgl. Dan—
nemann J 174.
108) Orig. c. Cels. 159; vgl. Joh. Dam. de fid. orth. II 7; Beda, nat. rer. c. 24.