176 wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte.
leitet wirdios). Gleichwohl stellt auch Tertullian die Unsterblichkeit als
natürliches At ribut der Seele hin, das mit ihrer Unteilbarkeit und mit
der Ununterbrochenheit ihrer Tätigkeit von selbst gegeben sei. Dagegen
ist nach zahlreichen Lehrern, und gerade den ältesten, die Unsterblich—
beit nicht mit der Natur der Seele gegeben, sondern göttliches Gnaden⸗
geschenk (bzw. Voraussetzung ewiger Strafe bei der Auferstehung am
Ende der Tage)uo). Tertullians Generationslehre (Traduzianismus) hat
zeitweilig weitgehende Anerkennung gefunden, ist aber schließlich ebenso
wie der Präexistentianismus zurückgedrängt worden (freilich ohne wie er
als häresie gebrandmarkt zu werden). Als Mittellinie ergab sich die
namentlich von Hieronymus vertretene Ansicht, daß mit dem Körper zu—
gleich eine Seele geschaffen werde und daß Gott also täglich neue Seelen
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In der spekulativen Frage nach dem Ursprung der Seele
hat es Augustin nie zu einer entschiedenen Stellungnahmel:2)
gebracht, dennoch hat gerade er den anthropologischen Lehren wenig⸗
stens des Abendlandes für mehr als ein Jahrtausend die entschei⸗
dende Kichtung gegeben. Von der Überzeugung durchdrungen, daß der
Mensch, wie ihn die Empirie zeigt, sündig sei und nur durch den Ein⸗
griff göttlicher Gnade in sein Leben aus diesem notwendig ins ewige
berderben mündenden Zustand von Sünde und Schuld herausgehoben
werden könne, sah er sich zu der Frage genötigt, wie dieser unselige Zu⸗
stand, der unmöglich der ursprüngliche, von Gott selbst geschaffene sein
konnte, entstanden sei. Die Antwort bot sich ihm in der Gen. 3 erzählten
Katastrophe, die er als eine die ganze Natur, zumal die des Menschen,
revolutionierende auffaßt. Die Seelenkräfte, aus ihrem innern harmo⸗
nischen Gefüge gerissen, führen zur Auflehnung des Fleisches wider den
Geist, zur Verfinsterung der Erkenntnis, zum Verlust der Freiheit zum
Guten, sowie zur Unterwerfung unter die Gewalt des Teufels und des
Todes, auch des leiblichen, als des Gipfelpunktes menschlichen Elends.
Die mit der Zeugunguns) sich verbindende Sinnenlust, selbst der Gipfel
der menschlichen Konkupiszenz, ist zugleich das Mittel zur Überleitung
der Sündhaftigkeit von Geschlecht zu Geschlecht. Je düsterer nun die
Schatten werden, die über der Menschheit lagern, desto heller fällt das
J 100) De an. 27, 36; vgl. de resurr. 45. 110) Tert. de an. 11. 12. 14.
15. 51; Justin dial. c. 4. 6; c. Graec. 13; Iren. II 34, 4.
111) Pp. ad Pammachium; ebenso Leo der Große und schon früher Laktanz.
112) Restract. I, n. 3.
113) Die Sinnenlust gehört für Augustin nicht zum Wesen der ehelichen
Zeugung; Gregor v. Nussa läßt (a. a. O. 8 12, 10ff.) die sexuelle Differenz
erst infolge des Sündenfalls hervortreten.
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