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Das Problem.
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der Norm aller Erkenntnis folgt und keinen anderen Maßstab, kein an⸗
deres Gesetz anerkennt als die Sache selbst, den Gegenstand, um dessen
Erkenntnis es sich handelt. Allerdings gehört die Religionswissenschaft
zu den Geistes- (oder Rultur⸗) wissenschasten, über deren Methode im
Unterschiede von der naturwissenschaftlichen seit Windelband und Kickert
viel verhandelt ist. Auch für die historische Theologie kommen selbst—
verständlich diese methodologischen Fragen wesentlich in Betracht, aber
für unsere Untersuchung scheiden sie mindestens vorläufig aus. Denn
in der historischen Erforschung der Keligion und ihren Methoden sind
die Schwierigkeiten, die wir untersuchen wollen, offenbar nicht begrün—
det. Diese liegen nicht in der Keligionswissenschaft, sondern in dem Ge—
genstand, von dem sie handelt, in der Keligion selbst oder doch min—
destens in einer bestimmten Auffassung der Religion, sagen wir, der
„kirchlichen“ oder „theologischen“ oder „dogmatischen“. Im Unterschiede
von der historischen Theologie untersucht die ‚Dogmatik“ oder Glaubens⸗
lehre nicht religiöse Anschauungen der Vergangenheit, sondern will die
in einer bestimmten Keligionsgesellschaft, etwa der evangelischen Kirche,
„geltende“ Glaubenswahrheit in ihrem inneren Zusammenhang zur
Darstellung bringen. Ihrer Form nach ist sie eine Wissenschaft wie jede
andere, an nichts anderes gebunden als an den Gegenstand, den sie
untersucht, den „Glauben“ und seine „Wahrheit“. Dieser „Gegenstand“
ist allerdings schwieriger zu erfassen als viele andere Objekte der Wis—
senschaft. Insbesondere drei Umstände, die der Eigenart des Gegen—
standes entspringen, können zu Fehlerquellen werden. 1. Bei aller For—
schung historischer Art ist Cinfühlung in den Gegenstand eine notwen—
dige Voraussetzung; dieses subjektive Moment aber muß einen besonders
hohen Grad erreichen, wenn ich eine Glaubensüberzeugung, also ohne
zweifel ein affektives Gedankengebilde, darstellen soll, die zugleich die
meine ist; mein persönliches Überzeugtsein, eine nicht rein theore—
tische Größe, geht hier unabtrennbar in die Untersuchung ein; ich seziere
gleichsam mich selbst, meine innersten Gedanken, im Verlaufe der wissen⸗
schaftlichen Untersuchung. Indes, und das ist eine Erleichterung, will
ich doch nicht mich selbst darstellen, sondern den übersubjektiv „gelten—
den“ Ideenkreis meiner historischen Glaubensgemeinschaft, der aller—
dings auch der meine ist. 2. hier aber entspringt (auch wenn von etwa—
igen Unterschieden meiner Ideen von denen der Gemeinschaft abge—
sehen wird) eine zweite Fehlerquelle. Was mir an Material vorliegt,
sind außer meinen eigenen religiösen Ideen nur Glaubensäußerungen
anderer Cinzelner, mögen sie auch als mehr oder weniger authentischer
Ausdruck des religiösen Glaubens der Gemeinschaft gelten; was ich aber