Full text: Natur und Gott

184 Wwissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
genteil ging man immer weiter in dem Wahne, daß Grausamkeit zur Be⸗ 
strafung bzw. Austreibung des in dem Kranken hausenden Dämons er⸗ 
forderlich sei. Auch andere Krankheiten wurden vielfach als Teufels— 
zaubernu), Epidemien auch als göttliche Heimsuchungen!a) aufgefaßt. 
Diesen übernatürlichen Schädigungen suchte man daher vornehm⸗ 
lich durch übernatürliche Heilmittel, durch kirchliche Weihen und heil⸗ 
tümer aller Art sowie durch Verfolgung der Zauberer zu begegnen. En⸗ 
gesichts des überreichlichen Angebots frommer Heilmiltel schien im 
Suchen nach Heilung durch natürliche Mittel fast etwas Unfrommes zu 
liegen. Wie schon Ambrosius, sprach sich auch Bernhard v. Clairvaux 
dagegen aus, daß Mönche in Krankheit EUrznei gebrauchen, und das 
kanonische Kecht stellt den Grundsatz auf, daß medizinische Vorschriften 
der göttlichen Erkenntnis zuwider sind!is). Von der Anschauung aus, daß 
Körperleiden von der Sünde stammen, wurde wiederholt den Arzten ver⸗ 
boten, jemanden ohne Zuziehung kirchlichen Rates zu behandeln; auch 
ward den Christen vielfach verboten, sich an jüdische Ärzte zu wendenuun. 
Ceider wurde nicht nur das Heilverfahren durch solche Verbote erschwert, 
sondern auch durch Vernachlässigung des Körpers und Mangel an Sau— 
berkeit, die als Zeichen der Demut galt, der Ausbreitung der Krank⸗ 
—RDDDD so litt auch die 
Chirurgie unter den von der Kirche ausgehenden hemmungen. Schon 
Tertullian hatte den berühmten Chirurgen und Anatomen Herophilus 
als Fleischer bezeichnet, Augustin ein wegwerfendes Urteil über den 
grausamen und unmenschlich in menschlichem Sleische nach tiefverbor⸗ 
genen Geheimnissen forschenden und wühlenden Sleiß der ärzte, die man 
Anatomen nennt, gefälltunec). Thomas v. Aquino aber lehrte, die Kräfte 
des Körpers seien unabhängig von seiner phnysischen Organisation, daher 
müßten diese mittels der scholastischen Philosophie und der theologischen 
Methode erforscht werden statt durch Untersuchungen der Rörperstruk 
turiar). Den Mönchen wurde die Chirurgie verboten (1248) und bald fiel 
diese allgemeiner Verachtung anheim. Auch die Sezierung menschlicher 
Ceichen war lange Zeit völlig verpönt. Die schon im Altertum nachweis—⸗ 
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141) Oben s. 172f. Gregor der Große schaut 590 Mmichael, wie er sein 
gegen die Pestdämonen gezücktes Schwert in die Scheide steckt (Gregorovius, Rom 
im Mittelalter II 20—35). 
142) Vgl. Num. 11, 34. 14, 12. 17, 10ff. usw. Dieselbe Ansicht herrscht bei 
Griechen und RKömern. 
1485) Bernhards Epistulae (migne 182, 8. 550/1). Decretum Gratiani p III. 
(zitiert nach White II S. 25). Vgl.. 2. Chron. 16,12 f. 
144) White a. a. O. S. 34. 38. 146) Ebenda S. 587f. 
146) Zöckler 188. 147) White a. a. O. S. 33.
	        
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