Zur Einführung.
darstellen will, ist „der“ Glaube in der vollen Überzeugungskraft, die
in ihm lebt, mithin etwas über das empirische Material Hinausliegen⸗
des, ein Musterbegriff, ein Idealbild; es gilt, die Triebkräfte der ge—
schichtlichen Gemeinschaft zu analysieren, gleichsam die Dynamik ihrer
leilenden religiösen Ideen zu entwickeln; ohne ein starkes Gefühl für
das Urkräftige und Lebendige in der Religion, ohne die Fähigkeit, seiner
Zeil den Puls zu fühlen, läßt sich die Aufgabe nicht lösen; es handelt
sich um ein Ineinander von Geschichte und Idee, das geschichtsphilo⸗
sophische Einstellung erforderlich macht. Hinzu kommt ein Drittes. Die
Glaubensdarstellung, von der wir reden, jene geschichtsphilosophisch ori⸗
entierte, zugleich aber den Grundakkord des Innenlebens des Darstel⸗
lenden anschlagende Darstellung von Glaubensgedanken, gibt sich nicht
als religiöse Ideendichtung, sondern als Uberzeugtsein von ewigen Wahr⸗
heiten und tritt dadurch in den unaufhörlichen Kampf der Wahrheits⸗
überzeugungen miteinander ein. Kein Zweifel ist darüber möglich, daß
das Urteil auf diesem Gebiete, entsprechend der divergenten Ein—⸗
stellung der einzelnen Forscher in weitestem Umfange schwanken wird;
auch ist bei der ungeheuren Komplikation der Probleme deutlich, daß
wissenschaftliche Verständigung an diesem Punkte nur in sehr begrenztem
Umfange, nämlich bei weitgehender Ubereinstimmung in Voraus-⸗
setzungen, die an sich umstritten sind, möglich ist. Indes kennt jede
wissenschaft Probleme, die eine hypothesenfreie Lösung nicht gestatten,
und doch wird niemand wissenschastliche Beschäftigung mit solchen Fragen
als unfruchtbar bezeichnen wollen. Nehmen wir etwa an, daß ein An⸗
hänger des Kritizismus (er sei nun ein mehr oder minder orthodorxen
KNantianer) sich zur Aufgabe machte, Kants Philosophie im Zusammen⸗
hange darzustellen, so würde er bei aller Creue gegen den Buchstaben
des Meisters es sich doch nicht nehmen lassen, Gedankengänge, in denen
der Philosoph unter RKückwirkung früherer Anschauungen hinter seiner
Absicht zurückbleibt, als solche zu kennzeichnen, zugleich aber auch die
fruchtbaren Ansätze des tiefsinnigen Werkes, deren Tragweite über
Kants bewußte Absicht hinausreicht, bemerkbar zu machen. Bei alledem
hätte er doch die ganz bestimmte wissenschaftliche Aufgabe, das Ideal⸗
bild der kritischen Philosophie, wie es sich auf Grund eigenen Denkens
ihm gestaltet hat, in der geschichtlichen Formung ihres Begründers zu
zeichnen. Auch wer Kant oder den Kritizismus abweichend auffaßt,
ja selbst wer einen ganz andern philosophischen Standpunkt vertritt,
würde aus der Darstellung, wenn sie ihre Aufgabe nur wirklich gelöst
hat, reichen wissenschaftlichen Gewinn schöpfen. Eine ganz analoge Auf—
gabe stellt sich der Dogmatiker; er will das ihm vorschwebende Ideal⸗