Full text: Natur und Gott

216 Wwissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
wir verloren haben durch Adams Fall. Itzt sehen wir die Kreaturen gar 
recht an, mehr denn im Papsttum etwan. ..“; er betrachtet also die 
neue Naturerkenntnis als ein die neue heilserkenntnis begleitendes und 
bekräftigendes Zeichen der göttlichen Gnaoe, hebt aber freilich hervor, 
daß dem „Vorwitz der Vernunft“, die immer mehr wissen will, durch 
Adams Fall Grenzen gesetzt sind und sie nicht weiter reicht „denn die 
Erfahrung der göttlichen Erleuchtung gibt“. Schon hier erkennt man, 
daß trotz freudiger Anerkennung der neu entstehenden Sorschung ihr 
in Cuthers Gesamtanschauung sehr bestimmte Schranken gezogen sind. 
Eine ausreichende Trennung der Theologie von der Naturwissenschaft 
ist ihm so wenig wie Augustin gelungen, konnte überhaupt erst gelingen, 
sobald die historisch-kritische Schriftauslegung zu einer Macht erwachfen 
war. Bei Cuther ist das noch nicht der Fall. Erst schwache Anfänge sind 
davon vorhanden; sein Grundsatz streng buchstäblichen Ruslegungsver— 
fahrens führt allerdings bei der Genialität seiner Auffassung gelegent— 
lich zur Erkenntnis der kindlichenaiven Art des Schöpfungsberichts. So 
hebt er hervor, daß die astronomische Sphärenlehre eine spätere Theorie 
sei, von welcher die hl. Schrift so wenig etwas wisse wie von Epizykeln 
u. dal.; gleichwohl vindiziert er den Astronomen ein volles Recht, solche 
Dinge zu lehren. Im gleichen Sinne erklärt Calvin, die Himmelsfor⸗ 
schung sei deshalb, weil Mose als ein Lehrer der „Ungebildeten und 
Rohen“ von ihr keine Notitz genommen habe, keineswegs zu verwerfen; 
sie verdiene vielmehr alles Lob wegen der Art, wie sie Gottes wunder— 
volle Weisheit enthülle und verherrliche. Aber diese Sätze enthalten 
keineswegs einen vollen Freibrief für die Wissenschaft. Der Anfang der 
Welt vor 5—6000 Jahren, die Unbeweglichkeit der Erde im Mittel— 
punkt der Welt und viele andere naturwissenschaftliche Annahmen stehen 
auf Grund der Schrift fest, „mögen auch manche über den Physiker 
lachen, der göttliche Zeugnisse zitiert“. Sehr charakteristisch ist Hafen— 
reffers briefliche Mahnung an Kepler (1597): „Gott verhüte, daß du 
je deine Hypothese mit der hl. Schrift öffentlich in Ubereinstimmung zu 
bringen suchst; handle, um was ich dich bitte, als reiner Mathematiker 
und störe nicht die Ruhe der Kirchee)!“ Genau dem gleichen Standpunkt 
werden wir alsbald auf katholischer Seite begegnen. Erinnern wir uns 
zugleich der bekannten ablehnenden Urteile der Keformatoren, so werden 
wir beides, die Weltfremdheit und den genialen Weitblick Giordano 
Brunos bewundern müssen, der in seiner Wittenberger Kede Cuther und 
Kopernikus als die beiden Leuchten des Jahrhunderts zusammenstellte. 
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