Full text: Natur und Gott

218 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
regelmäßige 2astündige Bewegung um die Erde ausführen. Auch das 
Größenverhältnis von Mond, Erde und Sonne konnte er ins Feld führen. 
Ihm selbst genügte die mathematische Einfachheit und Schönheit, zu der 
er gelangte, völlig als Beweis; die neue Welt, die sich ihm aufgetan 
hat, ist ihm der schönste Tempel, die wahrhaft göttliche Werkstatt; die 
ständige Betrachtung solcher besten Ordnung muß zu allem Guten an— 
regen, zur Bewunderung des Werkmeisters des Alls, in welchem die 
ganze Glückseligkeit ist und alles Gute⸗). So hören wir bei dem genialen 
Begründer des neuen astronomischen Weltbildes die gleichen Gedanken 
anklingen, die im Altertum als genügender Erweis des Göttlichen gelten. 
Die Kopernikanische Theorie blieb noch bei manchen Vorurteilen 
der Vorzeit stehen; statt der Erde setzte sie die Sonne in den Mittelpunkt 
der Welt; vor allem hielt sie daran fest, daß die Bewegung der Him— 
melskörper gleichmäßig und im Kreise erfolge; darum mußte sie auch 
zur Beseitigung der verbleibenden Unstimmigkeiten auf die Epizyklen— 
theorie zurückgreifen. Die Theorie konnte sich daher auf die Dauer nur 
halten, wenn sie konsequenter durchgeführt und mit dem Beobachtungs— 
material in bessere UÜbereinstimmung, zugleich aber mit der Phnsik in 
zusammenhang gebracht wurde. Galilei und Kepler und später Newton 
haben das Werk zur Vollendung und zum Siege geführt. Galileis epoche— 
machende Bedeutung liegt zuerst darin, daß er im Kampfe mit den Uri— 
stotelikern die Physikees) von überkommenen Vorurteilen reinigte; die 
stete Perbindung von Experiment und Mathematik, die er mit vollem 
Bewußtsein der Tragweite seiner Methode handhabte, befähigte ihn, 
nicht nur die statische Mechanik der Alten mannigfach zu bereichern, son— 
dern auch die Grundlagen der Dynamik, der Lehre von der Bewegung 
der Körper, wozu es nur wenige Ansätze gab, in mustergiltiger Weise 
zu legen. Er hat nicht nur den freien Falle⸗), den Fall auf der schiefen 
Ebene, die Pendel- und die Wurfbewegung untersucht und prinzipiell 
erklärt, sondern auch die Grundbegriffe der Dynamik zu entwickeln be— 
gonnen. Daß ein ruhender Körper im Zustande der Ruhe beharrt und 
nur durch die Wirkung einer Kraft in den Zustand der Bewegung über— 
geht, war allgemein zugestanden, aber erst Galilei erweiterte dies Be— 
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220) Vgl. de revol. J 10 gegen Ende sowie die Einleitung zum ersten Buche. 
228) Discorsi 1638, deutsch von A. v. Oettingen 1890 (Ostwalds Klassiker 
Bd. 11. Nr. 24. 25). 
228) Eine richtige Form des Fallgesetzes wird neuerdings von Duhem schon 
Nic. v. Oresme zugeschrieben (Baumgartner-Uberweg 625); da indes zweifellos 
Unrichtigkeiten in der Darstellung Duhems (hinsichtlich des Trägheitsgesetzes) vor— 
liegen, bedarf es noch der Nachprüfung. 
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