Full text: Natur und Gott

228 Wwissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
stammen, in jener Epoche keine Seltenheit. Wie von dieser Grundan⸗ 
schauung aus der Ertrag des Kopernikanismus aufgenommen und sein— 
sinnig gewürdigt werden konnte, zeigen die Gedanken Giordano Bru⸗ 
nosso). Zwar sind diese Gedanken nicht erst durch die neu erschlossenen 
Ideen des Kopernikanismus hervorgerufen; das künstlerische1) Cebens- 
gefühl und die Lebensideale der italienischen Kenaissance beilden die 
Grundvoraussetzung seiner Anschauung und finden durch ihn ihren philo— 
sophischen Ausdruck. Aber sicher ist, daß Kopernikus schon früh sein Den— 
ken befruchtet hat und daß sein originaler Grundgedanke eine Über—⸗ 
setzung des Kopernikanischen Systems aus der Sprache der Mathematik 
in die der Welt- und Lebensanschauung bedeutet. Es ist freilich nicht 
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vollzieht, vielnehr ist Bruno gerade der Erste, der sich bewußt ganz 
außerhalb des Christentums stellt, für das er nur hohn hat; seine Ideale 
liegen in der Antike, aber Keligiosität lebt auch in ihm, eine Keligiosität 
xantheistischer Art, die sich Gott allem am Universum und seiner Schön⸗ 
heitsherrlichkeit zum PBewußtsein bringt und in der Liebe zu Gott, die 
aus der Beziehung zum Ganzen und seiner Vollkommenheit entspringt, 
die Fesseln des Kleinmenschlichen zu sprengen und mit dem Leben hero⸗— 
isch fertig zu werden vermag. Den Grundzug dieser Gesamtanschau— 
ung bildet in divinatorischer Erweiterung des Kopernikanismus die Un— 
endlichkeit des Universums, in dem das Sonnensystem nur eines ist unter 
unzähligen Weltsystemen, welche in dem unermeßlichen üther verteilt, 
sind, alle einander gleichartig, aus denselben Stoffen bestehend, von den— 
selben Kräften durchwirkt, alle Wohnstätten empfindender und vernünf⸗ 
tiger, ob auch anders organisierter Geister, ja nicht nur Wohnstätten der 
GHeister, sondern auch selbst beseelt und durch innern Antrieb sich be— 
wegend. Die Unendlichkeit dieses Universums ist nicht ein zufälliges Da⸗ 
lum der Astronomie, sondern eine innerlich notwendige Forderung des 
Denkens, wie die bekannten Schwierigkeiten zeigen, die im Begriff einer 
räumlich begrenzten Wirklichkeit enthalten sind. Schon Bruno entwickelt 
hier Gedanken, die in der ersten der Kantschen Antinomien des Welt— 
begriffs zur Geltung kommen. Vor allem aber erschließt sich die Un— 
endlichkeit der Welt unmittelbar aus seinem metaphnsischen Grundge— 
danken. Die Welt ist die notwendige Entfaltung Gottes. In den beiden 
italienischen Schriften della causa und doel Intinito ist das beseelte Uni— 
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200) üÜber ihn vgl. namentlich Diltheny, Ges. Schr. IIIS. 297 -311. 326- 42. 
21) „Zwischen der theologischen Cpoche der neueren Völker und ihrer wissen⸗ 
schaftlichen liegt die ästhetische“ — von Petrarca bis zu Milton (Dilthey 
a. a. O. 323).
	        
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