Full text: Natur und Gott

242 Wwissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
wonnen; von ihm aus vollzog sich, unter Ausschluß der Radikalismen 
des Pantheismus und Materialismus die Wendung zur Aufklärung hin. 
Wie man Descartes selbst noch nicht als Aufklärer bezeichnen kann, so 
auch Locke und Leibniz nicht und doch kann man sie vor andern als 
päter der Aufklärung, will heißen ihres geistigen Typus, bezeichnen. 
Denn daß allgemeine kulturelle Momente, insbesondere auch politische 
und wirtschaftliche, zur Herbeiführung des Zeitalters der ARufklärung 
in entscheidendem Maße mitgewirkt haben?t), ist anerkannt. Treffen wir 
bei Descartes, Hobbes und Spinoza die mathematischenaturwissenschaft⸗ 
liche Methode in alleiniger Herrschaft, so hat zuerst Locke?re) ihr die 
psichologischranalytisch verfahrende zur Seite gesetzt, die für die Auf— 
klärung nicht minder charakteristisch ist. Erst bei ihm löst sich die Starr⸗ 
heit des Begriffs der Perzeption, indem die Wahrnehmung aus den 
Empfindungen aufgebaut wird. Es wäre nicht richtig, ihn einen reinen 
Sensualisten zu nennen, da er der Sensation, der sinnlichen Empfindung 
der wahrnehmbaren Gegenstände, die Reflexion, d. h. die innern Wir— 
kungen des Geistes, als selbständige Quelle der Erfahrung zur Seite 
stellt. Erst Condillaczes) (4 1780) versucht alle Vorstellungen aus der 
finnlichen Wahrnehmung als ihrer einzigen Quelle abzuleiten. Aber das 
Primäre ist der sinnliche Eindruck doch auch schon für Locke, denn er 
nimmt an, die Seele sei ursprünglich gleich einem unbeschriebenen Papier 
und läßt die Bildung von Vorstellungen mit dem ersten Sinneneindruck 
beginnen; die Annahme angeborener theoretischer Begriffe oder praß 
tischer Grundsätze sucht er ad absurdum zu führen. Indem er nun aus 
den einfachsten Clementen die komplizierteren aufzubauen sucht, trifft 
er auf die Fragen nach der objektiven Giltigkeit der Kausalität und der 
Substanz, die vor ihm kaum aufgeworfen waren?st) und die er im Sinne 
des Empirismus beantwortet. Die primären Eigenschaften der Dinge, 
ihre Größe, Gestalt, Zahl, Lage, Bewegung oder Kuhe sind Kopien der 
Dinge selbst; damit ist aber auch der Substanzbegriff als Substrat, wo— 
ran die Eigenschaften haften, und der Ursachbegriff, als Ausdruck der 
Kraftäußerung der Substanz, unvermeidlich. Über die Vorstellungen, 
201) Vgl. die kurze Zusammenfassung bei Troeltsch, R.E. 2, 2260-28 und die 
dort angegebene Literatur. 
202) An essay concerning human understanding, zuerst 1690. 
293) Praitéô des sensations. 
204) Nur im Nominalismus läßt sich bei Occam und namentlich bei Nikol. 
v. Autrecourt eine Kritik des Kausal- und Substanzgedankens nachweisen, vgl. 
Baumgartner-Uberweg 5. 605f. 617ff. 
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