Full text: Natur und Gott

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Die Leibnizsche Synthese und die Aufklärung. 261 
aber von ihrer Verbindung mit der Materie oder von dem Wesen von 
Geist und Materie unerreichbar zu sein scheint. Ebenso urteilt Robinet, 
daß die erste Ursache, die wir allerdings annehmen müssen, absolut un— 
bekannt bleibe. Den Atheismus entwickelt in voller Bestimmtheit Dide— 
rot; Buffons Theorie von den organischen Molekülen, deren Verbindung 
und Trennung das Leben des Alls ausmachte, wird von ihm darauf zu— 
gespitzt, daß das große musikalische Instrument, welches wir Welt 
nennen, sich selbst spiele; alle Psychologie wird auf Nervenphysiologie 
zurückgeführt. In diesen Gedanken, die allerdings großen Teils erst lange 
nach seinem Tode veröffentlicht sindese), ist im Grunde bereits vorweg— 
genommen, was später von Holbach, Cabanis u. a. ausgeführt wurde, 
aber auch nur wiederholt, was bereits vorher, wenigstens in anthropo— 
logischer Hinsicht, Lamettrie gesagt hatte. Nur hat sich Diderot stets gegen 
den praktischen Materialismus gewehrt und bei aller Leidenschaft des 
handelns, ohne welche nichts Großes geschaffen werden könne, Selbst— 
losigkeit verlangt, die auf das Wohl des Ganzen ziele. 
In anderer hinsicht wurde die geistige Struktur der Aufklärung, ins— 
besondere ihr kahle Verständigkeit durch J. J. Kousseau aufgelöst, der 
auf das Gefühl als das Elementare im Menschen gegenüber der Ver— 
standesbildung den entscheidenden Nachdruck legt. Inhaltlich ist seine 
natürliche Religion von der Lockes und der Aufklärung nicht verschieden; 
auch ist er im Sensualismus mit Locke ganz einverstanden und seine 
laturanschauuung ist die Newtonsche. Aber der Vernunftglaube an Gott, 
Tugend und Unsterblichkeit ist ihm nicht wie Voltaire Sache der philoso— 
phischen Erwägung oder des bösen Gewissens, sondern Gemütsbedürfnis, 
ein sentiment intérieur, „natürlich“ nicht mehr im Sinne einer begrün— 
deten Reflexion, sondern vielmehr der Urwüchsigkeit, und eben darum 
schon in der einfachen, schlichten und herzlichen Anspruchslosigkeit der 
kulturlosen Zustände zu finden, während er in der kalten und herzlosen 
Ssphäre des (Pariser) Bildungsraffinements nicht wachsen kann. Dies 
Tvangelium des herzens hat schon auf Rant einen starken Eindruck 
gemacht; es hat Herder für die Ursprünglichkeit des Geistes, für die 
unreflektierten Urkräfte und ihr Herauswachsen aus dem Boden des Na— 
türlichen die Augen geöffnet; es wirkt in Jacobis Glaubensphilosophie 
und in Schleiermachers Gefühlstheologie mächtig fort; verstärkt durch 
andere Faktoren, insbesondere durch das gewaltige geschichtliche Erleben 
jener Seit, ist es für die Romantik, für den deutschen Idealismus, für 
368) Im 4. Bande der Mémoires, namentlich im „Gespräch mit d'Alembert“ 
und „d'Alemberts Traum“; doch tritt der Atheismus schon in Interprétation de 
la nature 1753 deutlich hervor.
	        
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