Full text: Natur und Gott

264 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
gesättigt wie von denen der Bibeleee). Schon das Tagebuch des jungen 
Goethe von 177062) spricht aus, daß es ebenso schwierig sei, über Gott 
ohne die Natur zu handeln, wie über die Seele ohne Körper. Schon der 
„Urfaustes)“ enthält die berühmte Darstellung der Harmonie der Kräfte 
im Zeichen des Weltgeistes (des Makrokosmos), das Lied des Erdgeistes, 
der der Gottheit Kleid webt, auch das Glaubensbekenntnis Sausts. Wer⸗ 
ther hat die Natur ihr „inneres, glühendes, heiliges CLeben?e)“ eröffnet. 
Ein wahrscheinlich von Tobler nach Goethes Gesprächen niedergeschrie— 
bener, zugleich von Shaftesbury beeinflußter Aufsatz „Natur“ 1782, 
der für Herders und Goethes damalige Gedankenwelt bedeutsam ist, zeich— 
net die Unerforschlichkeit der Natur, ihre Beseelung durch ein einheit— 
liches göttliches Prinzip, ihre Cinheit in allen Individuen, die Gleich— 
artigkeit des Universums. Die Natur hat sich in ihre Kinder „ausein— 
andergesetzt“, um sich selbst zu genießen; ihre Technik ist die einer Künft— 
lerin; auch Wechsel und Tod sind ihr nur Mittel zu neuem Leben und 
neuen Mitteilungen; ihre Bildungskraft zeigt sich im Instinkt; Liebe 
und Enthusiasmus sind ihre höchsten Aufgaben?ee). So sind schon vor 
dem ernsthaften Studium Spinozas, das erst im Winter 1784/85 be— 
zeugt ist, wesentliche Berührungen mit Spinoza gegeben, mit dem nun 
aucdrücklich gesagt wird: „Das Dasein ist Gottsst)“. Gleichwohl sind Spi— 
nozas Gedanken nur in starker Umschmelzung von Goethe angeeignet; 
die rationale Metaphysik und Theologie fällt gänzlich aus. Das Denken 
richtet sich nur auf beschränkte Dinge, nicht auf das Unendliche, das 
vielmehr unerforschlich bleibt. Das Göttliche haftet dem Leben an, gibt 
ihm einen unendlichen Gehalt und Wert. Das Wirkliche hat an der Un— 
endlichkeit teill und gewinnt damit selbst Lebendigkeit und Unerforich— 
lichkeit. Insbesondere ist jeder Organismus im Verhöältnis zu seinen Cei— 
len als Ganzes etwas Unendliches, ganz Lebendiges und Unerforsch— 
liches. Durch Spinozas „intuitives Erkennen“ glaubt sich Goethe direkt 
— 
362) Vgl. CLuise Meyer, Die Entwicklung des Naturgefühls bei Goethe bis 
zur italienischen Reise einschließlich, 1906 (auch wertvolle Literaturüberficht). V. 
hehn, Gedanken üb. Goethe 7.—9. Aufl. 1909. 8. 309 ff. Maturphantasie); 427 ff. 
Sprache der Bibel). 
363) W I, Bd. 37 S. 90. 
364) Faust in ursprünglicher Gestalt. Herausgg. v. Erich Schmidt 1887 5. 3. 
4. 6f. 66. 
368) Erstes Buch, Brief vom 18. August. (W. 1 19, 74). 
ses) Vgl. Dilthey, Aus der Zeit der Spinozastudien Goethes (Ges. Schriften V 
s. 391 -415). Auch Hering, Spinoza im jungen Goethe. Diss. 1897. 
367) Goethe kann sich eben, wie Spinoza, die Materie nicht ohne Geist, den 
Geist nicht ohne Materie denken (vgl. W. II Bd. 11, s. 1. 
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