Full text: Natur und Gott

300 Das phmwikalischechemische Weltbild. 
Problemen herauszuarbeiten. Es ist keine historische Darstellung, die 
wir beabsichtigen, sondern eine Entfaltung des in der heutigen Wissen— 
schaft (mit mehr oder minder Sicherheit) als wahr Geltenden, aber wir 
werden gut tun, dabei der Schichtenbildung der wissenschaftlichen Ge⸗ 
danken und ihrer immanenten Logik zu folgen. Von jeher hat der Mensch 
zuerst auf die Welt, spät erst in sein eigenes Wesen geblickt; so sind 
auch in der wissenschaftlichen Entwicklung der Neuzeit die physikali⸗ 
schen Entdeckungen in den Vordergrund getreten, und erst auf ihrer 
Grundlage haben sich die biologischen Wissenschaften und die Anthro⸗ 
pologie zu voller Keife entwickelt; auch wurde die wissenschaftliche Be— 
wältigung zahlreicher biologischer Probleme erst möglich, nachdem auf 
physikalischem und chemischem Gebiete die erforderlichen Methoden aus⸗ 
gebildet waren. Wenden wir uns demgemäß zuerst den phnysikalisch⸗-che⸗ 
mischen Wissenschaften zu, so muß es uns offenbar vor allem um die 
Form gesetzmäßigen Geschehens in der Welt, sodann aber auch um 
einen Einblick in die Struktur des Weltganzen und in das Werden der 
Welten sowie um die Natur von „Stoff“ und „Kraft“ und um die „Struk⸗ 
tur“ bis zum Übergang in das Organische zu tun sein. Für die Form ge— 
setzmäßigen Geschehens ist vor allem die Ausbildung der Mechanik maß— 
gebend geworden und von ihrer Entwicklung, ihrer Ausdehnung auf 
das gesamte Gebiet der Physik (und Chemie) und den dabei entstehenden 
Schwierigkeiten bzw. ihrer Uberwindung muß daher zunächst die 
KRede sein. 
Eme ernsthafte Schwierigkeit, wenn wir das Werden der Mechanik 
uns veranschaulichen wollen, liegt darin, daß diese Wissenschast wie keine 
andere durch ihre Geschichte wie durch die Notwendigkeit der Sache in 
ein mathematisches Gewand gekleidet ist, unsere Darlegung aber, um 
allgemeinverständlich zu bleiben, sich der mathematischen Symbole nicht 
bedienen darf. Unüberwindlich ist diese Schwierigkeit nicht, denn letzt⸗ 
lich handelt es sich um nichts andres als die Anwendung allgemein aner— 
kannter und geübter Verstandesoperationen, und der Kern der Mecha— 
nik kann sehr wohl ohne Hilfe mathematischer Zeichen verständlich ge⸗ 
macht werden. Allerdings die Sicherheit der Mechanik, ihre bewunderns— 
werte Durchsichtigkeit und Eleganz, die allgemeine Anwendbarkeit ihrer 
Gedanken, fast möchte ich sagen, die gelungene Mechanisierung genial— 
ster Gedanken großer Denker in einer Formel, die unter Umständen 
sich als noch viel weittragender und umfassender erweisen kann als ihr 
Urheber je geahnt hat, und die doch auch dem mäßigen Ingenium ein 
sicher zu handhabendes Instrument werden kann, kurz alles das, was 
dieser Wissenschaft ihre ganze ungeheure Durchschlagskraft im Leben 
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